Finanzmarkfilme für den Winter (Teil 2) – von Bernd Villhauer

Kolumnentitel: Finanz & Eleganz

Wann kommt endlich das Sequel? oder Finanzmarktfilme für den Winter (Teil 2)

Oft müssen wir lange auf eine Fortsetzung warten. Einige von uns dürften bedauert haben, dass der letzte, der fünfte Teil von „Die Hard“ mit Bruce Willis sechs Jahre nach dem vorigen Teil erschien. Cineasten bekamen ihre Fortsetzung von „Chinatown“ erst nach 16 Jahren mit „The Two Jakes“, ebenso lange ließ der dritte Teil des Mafia-Epos „Der Pate“ auf sich warten. Und für unser Thema einschlägig: es lagen 23 Jahre zwischen „Wall Street“ und „Wall Street 2“ (bzw. „Wall Street: Money never sleeps“).
Mit diesem Fitzelchen nicht wirklicher relevanter Informationen beginne ich den ebenfalls lang erwarteten und vielfach eingeforderten zweiten Teil meines kleinen Überblicks zu den Filmen über Aktienmarkt und Börse.

Wie beim letzten Mal angekündigt, starte ich mit einem meiner ausgesprochenen Lieblingsstreifen: „Margin Call“ von 2011. In Deutschland wurde der Film von Regisseur und Drehbuchautor J.C. Chandor als „Der große Crash“ präsentiert. Bekannte Namen erleichterten die Vermarktung: Demi Moore, Kevin Spacey, Jeremy Irons … Hier wurden auch Nebenrollen sehr gut besetzt; man erwartet eigentlich, Harvey Keitel als Büroboten um die Ecke kommen zu sehen. Warum ist der Film so beeindruckend? „Margin Call“ gelingt mit seinen Charakteren das Kunststück, in einer ganz überschaubaren räumlichen Situation (die Filmkritik schreibt dann von einem „Kammerspiel“) die ungeheure Dynamik der Finanzkrise in Bilder zu bringen. Es sind ruhige Aufnahmen von Leuten vor Bildschirmen, in Konferenzräumen und auf Dachterrassen – gemeinsam ist ihnen die Ratlosigkeit und der Versuch, Sinn in etwas zu bringen, das ihnen eigentlich sinnlos erscheint. Einer der Protagonisten war Architekt gewesen und kann genau sagen, wie vielen Menschen eine von ihm gebaute Brücke Zeit gespart hat. Einmal hat er etwas Dauerhaftes in die Welt gestellt, nun verkauft er Finanzprodukte. Die großartigen Dialoge, die atmosphärisch dichte Beschreibung der Welt der Wertpapierhändler, die kleinen Manieriertheiten und die großen Ängste – wir sehen ein Bildertableau vom Menschen, der in den Stürmen der Finanztumulte nicht über Bord gehen will. Am Ende wird ein toter Hund beerdigt.

Wie ein toter Hund schaut auch Gordon Gekko als er in „Money never sleeps“ (2010) aus dem Gefängnis entlassen wird. Er bekommt seine Kleidung und seine sonstige Habe zum Abschied ausgehändigt, darunter ein Mobiltelefon aus den 80ern, groß wie eine Hantel. Aber der Unzeitgemäße arbeitet sich nach vorne, zunächst mit Vorträgen über Gier und Geld. Ein Täter reflektiert die Tat und verdient ganz gut damit. Es entwickelt sich eine Handlung, bei der es immer mehr um das Erbe geht. Was hinterlassen wir? Wie nachhaltig und verlässlich ist unser Werk? Der Film fragt nicht nur nach der Krise, sondern nach Gefühlen in und nach der Krise. Wir leben im Bewusstsein, dass schon alles zusammengebrochen ist – mehrmals. Gibt es Vertrauen in der Welt der Finanzen – Vertrauen in die Zukunft womöglich. Am Ende hat Michael Douglas alle platt gespielt, Gordon Gekko ist wieder reich, aber die Zukunft gehört doch den Erneuerbaren und den New Yorker Frauen, die noch selbst backen.

Solche Frauen kommen in einem einschlägigen Film von Jodie Foster nicht vor. Die schnelle, grelle Welt von „Money Monster“ (2016) zeigt einen George Clooney als Börsen-TV-Star Lee Gates. Dieser inszeniert den Markt als Show und Showdown, dabei feuert er regelmäßig Kauf- und Verkaufsempfehlungen auf die Zuschauer ab. Eines Tages kommt ein junger Mann mit Bombe ins Fernsehstudio, der alles auf eine dieser Empfehlungen gesetzt hatte. Obwohl mit viel medialem und metmedialem Aufwand alle Symboliken der Börse bemüht werden, geht es dann im Grund nur um ein ganz konventionelles Betrugsmanöver. Herrlich anzusehen die Szene, wie der Moderator sein Publikum auffordert, eine bestimmte Aktie zu kaufen damit der Kurs steigt und der junge Mann nicht die Nerven verliert. „Was ist ein Leben wert?“ ruft er in die Kamera, „Was ist Ihnen mein Leben wert?“. Die Antwort kommt schnell: der Kurs zieht ein wenig an, um dann ganz abzusacken. Letzten Endes haben die Börsenkommentatoren und Markbeobachter genauso wenig Macht wie die Leute, die mit Omas Erbe auf die falsche Aktie setzen. Die Hohlheit und Hilflosigkeit der „Experten“ wird wunderbar gezeigt. Sie deuten die Zeichen und dabei können sie genauso falsch liegen wie antike Seher bei der Eingeweideschau.

Aber wer weiß denn eigentlich wirklich etwas über die Börse? Wo ist echtes Expertenwissen zu finden? Dass die Herren, die im Fernsehen wissen, was der Markt in den nächsten Tagen tun wird, Unsinn reden – das ist jedem gleich klar. Und dass Politiker über die Finanzmärkte so kompetent reden wie über den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, das geht einem auch schnell auf. Aber irgendwo muss es doch Kompetenz geben. Vielleicht bei den Finanzwissenschaftlern und Finanzmathematikern? Bei den universitären Marktbeobachtern, die die Finanzkrise auch nicht kommen sahen? Wer vom Glauben an Experten geheilt werden möchte, der beschäftige sich einmal mit der Geschichte von Long-Term Capital Management (LTCM), einem Fonds, der in den 90ern unter Mitwirkung von mehreren Nobelpreisträgern so professionell wirtschaftete, dass er am Ende mit mehr als einer Billion (!) Dollar in den Miesen stand.

Wer weiß etwas bzw. wie kann man sich verlässliches Wissen aneignen? Diese börsenerkenntnistheoretische Frage steht im Grund im Mittelpunkt von “The Big Short“ aus dem Jahre 2015 Wie kann man zunächst einmal das wichtige Wissen vom unwichtigen unterscheiden, einen sinnvollen Rahmen des Finanzverständnisses schaffen und sich dann von der Herde losmachen und seine eigenen Interpretationen finden? Als Film nicht so richtig gelungen, aber als Suchbewegung nach dem Meeresboden unter den Wellen ein Genuss. Jede Menge Stars und Celebrities würzen den finanztheoretischen Exkurs, der immer wieder die Fragen stellt: Was kann ich glauben? Wer will wissen, wer will nur Geld verdienen? Die Verfilmung eines sperrigen Bestsellers übrigens.

Damit wären wir beim letzten und schwächsten Film des heutigen Blogs. „The Wolf of Wall Street“ fordert viel Geduld und einen starken Magen. Martin Scorseses Filme wechseln immer schön ab zwischen „anstrengend, aber wichtig“ und „Behalt das doch für Dich!“ Der Börsenfilm von 2013 über den Finanzbetrüger Jordan Belfort gehört eher zur zweiten Kategorie. Wenn Scorsese einen Gangster-Film macht, dann zeigt er ziemlich genüsslich und kompetent Gewalt und Niedergang. Von der Börse versteht er aber wohl nicht so richtig viel, weswegen zwar die Prostituierten und die Drogen liebevoll ausgebreitet werden, die Strategien der Mittelbeschaffung für solche Freizeitvergnügungen aber weniger. Es knallt, spritzt, schreit und leuchtet die ganze Zeit und irgendwann will man nichts mehr sehen.
Und das ist eben meilenweit entfernt sowohl von Finanz als auch von Eleganz.

Geschrieben bei einer Tasse Tee am 25. November 2016.
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In der Kolumne “Finanz & Eleganz” geht Bernd Villhauer, Geschäftsführer des Weltethos Instituts, den Zusammenhängen von eleganten Lösungen, Inszenierungen, Symbolen und Behauptungen einerseits sowie dem Finanzmarkt andererseits nach. Grundsätzliche Überlegungen zu der Kolumne finden Sie in der Einführung.