Schön schaurig wie im Kino oder Finanzmarktfilme für den Sommer (Teil 1)

Kolumnentitel: Finanz & Eleganz

Schön schaurig wie im Kino oder
Finanzmarktfilme für den Sommer (Teil 1)

Hitze! – gibt es in diesem Sommer nur tageweise, dann aber richtig. Wolkenbrüche wechseln sich mit Hitzewellen ab. Wenn dann wieder so ein heißer Tag kommt und man das Gefühl hat, durch Wände aufgewärmter Watte gehen zu müssen, dann bietet sich der Zufluchtsort Kino bzw. ein langsames Niedersinken auf das heimische Sofa vor dem Bildschirm an. Daran ist nichts Schlechtes.
Deshalb bietet „Finanz & Eleganz“ eine Auswahl der besten Börsenfilme in zwei Portionen. Ich konzentriere mich dabei auf „fiction“, also solche Streifen, die nicht eindeutig als Dokumentarfilme auftreten.

Natürlich gibt es einige Werke, die dokumentarische Fakten in eine Spielhandlung überführen, z.B. der heute weitgehend unbekannte, aber informativ und professionell gemachte Fernsehfilm „Der schwarze Freitag“ von 1966 (mit Curd Jürgens!), in dem die Mechanismen des Börsenhandels gut erläutert werden und aus heutiger Sicht etwas bieder das Lied der Börsenmoral gesungen wird.
Unterhaltsamer ist „Trading places“ („Die Glücksritter“) von 1983: Dan Akroyd und Eddie Murphy mischen die Welt der Warentermingeschäfte auf. Nicht nur Jamie Lee Curtis hinterließ bleibenden Eindruck bei Pubertierenden, auch viele der Gags und Wendungen wirken mehr als dreißig Jahre später kaum angestaubt.
Vier Jahre danach kam der Film in die Kinos, an dem sich jede spätere Darstellung der Finanzwelt messen lassen musste: Wall Street. Der Film führt den Aktienhandel als Wirbelsturm vor, der um ein dunkles Zentrum kreist: Gordon Gekko. Obwohl dessen Machenschaften als die hinterhältigen Schweinereien gezeigt werden, für die Leute wie Ivan Boesky und Carls Icahn in der Realität standen, wurde Michael Douglas als Finanzjongleur zum Rollenmodell für Generationen von Wall Street-Pilgern. Der Regisseur Oliver Stone berichtete noch lange irritiert in Interviews, wie viele Börsenhändler ihm gestanden hätten, dass sie nur wegen seines Films zu diesem Beruf gekommen seien.
Ein anderer „Corporate Raider“, der Firmen kauft und ausschlachtet, wird in „Other People’s Money“ (Das Geld anderer Leute“) von 1991 gezeigt: gespielt von Danny DeVito, also kleiner, dicker und witziger. Er will die Drahtfabrik des (wunderbar verwitterten) Gregory Peck an sich bringen und gewinnbringend filetieren. Neben Einsichten in diese Art von Geschäften gibt es schnelle schlaue Dialoge. An die financial screwball comedy ist ein Happyend montiert, in dem eine schöne Frau, der unser Filmheld  gerade bis zum Gürtel reicht, alles wieder gerade rückt.
Schlimmer hingegen ging es aus mit dem Börsenhändler Nick Leeson aus, der die gute alte Barings Bank mit Spekulationen in Singapur ruinierte. „Rogue Trader“ („Das schnelle Geld – Die Nick Leeson Story“) von 1999 erzählt seine Geschichte – und die ist eigentlich erstaunlich langweilig und im Grund nicht sehr kinogeeignet – obwohl es um Riesensummen geht, die das globale Finanzsystem spürbar beeinflusst haben. Aber was ist zu sehen? Junger Typ  verzockt sich vor Bildschirmen und verliert irgendwann alles. Ewan McGregor gibt sich redlich Mühe, aber er kommt nicht gegen das Hauptproblem an: Spekulation lässt sich im Zeitalter der Computerbildschirme nur noch schwer sinnlich und emotional mitreißend darstellen. Bei den „Glücksrittern“ wurde noch in den Handelssälen geschrien und geschwitzt – aber 16 Jahre später findet die Action für die Börsenhändler mehr am Kaffeeautomaten oder im Nachtclub nach der Arbeit statt. Abstrakter und indirekter läuft alles ab, der Schauwert schrumpft.

Damit wären wir bei einer wichtigen Frage: was kann der Film von der Börse und ihren Aktivitäten überhaupt zeigen? Wie auch Sven Grzebeta in seinem hier schon besprochenen schönen Buch „Ethik und Ästhetik der Börse“ ausführt, gibt es in der Architektur, dem Kleidungsstil, der Klangkulisse, den Visualisierungsformen börsenspezifische Darstellungsmöglichkeiten: Männer in dunklen Anzügen, die in monumentalen Gebäuden auf elektronische Laufbänder mit Buchstaben und Zahlen starren, ein Prise Liniendiagramme – voilà, die Finanzwelt.
Neben diesem Symbolsystem „Börse“ hat der Film natürlich noch eine weitere Darstellungsebene: das Agieren bestimmter Menschen in bestimmten Situation, also die Börse im Spiegel der Gesichter und Gesten von Individuen. Der Film kann zeigen, was das Finanzsystem tut, indem er zeigt, was es mit den Menschen tut.
Diesen Weg wählt „Boilerroom“ (Risiko – Der schnellste Weg zum Reichtum) aus dem Jahr 2000. Es geht um die Gier, die einen jungen Mann, der Anerkennung bei seinem Vater sucht, in eine dubiose Maklerfirma treibt. Das Finanzsystem ist eigentlich mehr die Kulisse, in der gezeigt wird, welche Ziele man sich in einem Leben stecken kann und wie unsere Ziele und Hoffnungen uns prägen.

Überhaupt lässt sich natürlich der Finanzsektor wunderbar als Hintergrund für Macht-, Psycho- und andere Spiele oder Krimi-Plots benutzen ohne auf Einzelheiten des Börsengeschehens einzugehen. The Bank (2001), im deutschen Verleih unter dem subtilen Titel „The Bank – Skrupellos und machtbesessen“ tut das effektiv und spannend, aber ein bisschen holzhammerheftig. Allerdings werden schön die Überlebensstrategien von Banken vorgeführt. Denken Sie daran, wenn auch die Filiale bei Ihnen an der Ecke schließt! Arbitrage von 2012 tritt höchst elegant auf. Hier lebt Richard Gere den Traum des Hedgefondsmanagers vor, mit eigenem Jet, Anwesen in den Hamptons, Kunstsammlung, überirdisch gut geschnittenen Anzügen und geschmeidiger Geliebter mit französischem Namen. Selten wurden Klischees so wunderbar inszeniert, selten hat kapitalistische Dekadenz so ein Vergnügen bereitet. Ein bisschen Voyeur sollte man allerdings schon sein…
Den langen Weg zum Glück beschreibt The Pursuit of Happiness (Das Streben nach Glück) von 2006, die reale Geschichte des Börsenmaklers Chris Gardner nacherzählend, der vor seiner Börsenkarriere als Obdachloser lebte. Hier ist die Investmentbank der große Wunschtraum am Horizont, die Oase in der staubtrockenen Realität des US-amerikanischen „Hire and fire“.

Achtung, nun kommt der brutale Einschnitt: Es gibt noch zahlreiche Filme zum Thema Börse und Finanzmarkt, aber ein Blog ist kein Filmlexikon. Deshalb hier noch ein Ausblick auf die Filme, die ich in TEIL 2 bespreche und an deren Beispiel ich beschreibe, warum Kino Schwieriges leicht und Leichtes schwierig macht.
Die kommenden Filme in Kürze und der Einfachheit halber gleich der Qualität nach gerankt. Wir beginnen mit einem Juwel und enden mit teurem Trash:

  1. Margin Call, 2011
  2. Money never sleeps (Wall Street 2), 2010
  3. Money Monster, 2016
  4. The Big Short, 2015
  5. The Wolf of Wall Street, 2013

Und wer setzt nun die Homepage FINANZFILMFREAKS auf?

Geschrieben bei einer Tasse Tee am 16. August 2016.

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In der Kolumne “Finanz & Eleganz” geht Bernd Villhauer, Geschäftsführer des Weltethos Instituts, den Zusammenhängen von eleganten Lösungen, Inszenierungen, Symbolen und Behauptungen einerseits sowie dem Finanzmarkt andererseits nach. Grundsätzliche Überlegungen zu der Kolumne finden Sie in der Einführung.