Covergestaltung: DMBO – Studio für Gestaltung
Wahrheit & Wirklichkeit
Editorial zur Ausgabe 1/2021
Text: Frank Augustin
Wie es in Wahrheit um die Wirklichkeit bestellt ist, das kann einem meistens ziemlich schnuppe sein – so lange jedenfalls, wie es in der Gesellschaft einigermaßen läuft und keine existenziellen Bedrohungen in Sicht sind. Beides ist jedoch ganz offensichtlich nicht mehr der Fall, und deshalb ist nun Nachdenken angesagt.
Nachdenken im eigentlichen, im philosophischen Sinne hat nichts mit Intelligenz oder Muße zu tun, sondern mit Mut. Denn wer wirklich nachdenkt, dem wird der Boden des Selbstverständlichen unter den Füßen weggerissen, der muss sich manch unangenehmer und unheimlicher Tatsache stellen. Zum Beispiel jener, dass das eigene Verhalten immer auch negative – manchmal vernichtende – Konsequenzen hat, egal, wie gut man es meint. Vor allem aber der Tatsache, dass es nichts gibt, das bleibt, wie es ist. An Wirklichkeit kann man sich nicht festhalten – da gibt es keine ewigen Prinzipien, keine bleibenden Werte, keine durchgängige Logik oder allgemeingültigen Gesetze. Das hört niemand gern, denn wer bewegt sich schon gerne im Whiteout?
Aber manchmal ist ein Blick in den Abgrund des Nichts nötig, weil er umgekehrt das ganze Ausmaß unserer Freiheit offenbart: Nichts, was ist, muss so sein, wie es ist. Alles kann verändert werden – und darf verändert werden.
In diesem Sinne: nur Mut!
