Illustration: DMBO – Studio für Gestaltung
FREIHEIT
Editorial zu Ausgabe 1/2024
Es war noch nie so einfach, frei zu werden, wie heute. Denn wir haben keine Wahl.
Machen wir weiter wie bisher, werden unsere Freiräume gänzlich verschwinden. Es ist, als ob das Vorzeichen von plus auf minus gewechselt hätte. Wirtschaftswachstum ist vom Leitbild zum Verhängnis geworden; technischer Fortschritt hat sich in gesellschaftlichen Rückschritt verwandelt; vernünftige Ansätze enden regelmäßig in Katastrophen – weil es nichts Vernünftiges im Unvernünftigen gibt.
Unser Leben ist total verrückt geworden, weil wir die kapitalistische Logik haben total werden lassen. Ja, alles hängt mit allem zusammen. Weil wir das so wollten. Nun produziert, was zunehmende Freiheiten versprochen hatte, immer mehr Abhängigkeiten. Folglich gibt es keine andere Möglichkeit, als ganz neu zu beginnen. Die „Zeitenwende“ ist in ihrer vollen Tragweite noch nicht begriffen worden.
Wir werden also den Ballast ökonomischer Ideologien abwerfen und endlich das ganze Potenzial der Demokratie entfalten. Weder Märkten noch anderen Göttern Rechenschaft schuldig, werden wir soziale Kompetenzen entwickeln statt Wachstumsstrategien, sinnvolle Produkte statt profitable. Wir werden – durch Bildung, die diesen Namen verdient – lernen, die Sinnlosigkeit und Widersprüchlichkeit des Lebens zu akzeptieren, statt in Wunschvorstellungen zu fliehen. Wir werden glücklicher statt arm oder reich. Wir werden unserem Zusammenleben eine neue Qualität geben.
Frank Augustin
Chefredakteur, faugustin@agora42.de