Leserbrief: Die Ostperspektive

Briefkasten in den BergenFoto: Chad Peltola | Unsplash

 

Leserbrief: Die Ostperspektive

Hallo agora42,

wie immer ist Euch eine sehr gute Ausgabe gelungen. Das Thema ist aktueller denn je. Besonders gut gefallen hat mir der Artikel von Julian Dörr (ich kenne ihn bereits von der Spex). Schon sein Keksvergleich am Anfang des Artikels trifft es genau auf den Punkt.

Das Interview mit Teresa Bücker ist auch sehr gut, obwohl ich in einigen Punkten nicht zustimmen kann.

Wo viel Licht, da auch viel Schatten. Hier kommt also noch etwas Kritik zur Ausgabe. Ich muss mir schon die Augen reiben, dass keine*r der Autor*innen die Ostperspektive im Blick hatte. Worüber jetzt erst gestritten wird, gab es bei uns bereits seit langer Zeit.

Gleichbezahlung der Frau, Recht auf Abtreibung, Vollversorgung der Kinder (Krippe, Kindergarten, Schule, Hort) und das Poliklinik-System als Gesundheitsvorsorge. Sogar die gleichgeschlechtliche Ehe war erlaubt. Das alles machte die Vollbeschäftigung und Unabhängigkeit der Frau erst möglich. Ich frage mich ernsthaft, warum niemand das als gesetzlichen Hebel nutzt.

Im Einigungsvertrag (der nie wirklich umgesetzt wurde) sind diese Dinge sogar grob umrissen. Warum fordert man keine Revision? Warum übernimmt man diese Errungenschaften nicht in das System der BRD? Und nochmal gefragt, warum weist kein*e Autor*in darauf hin, dass es das in einem Teil Deutschlands alles schon mal gab?

Für die Zukunft wünsche ich mir von Euch, dass Ihr diesen blinden Fleck angeht. Gerne mehr Ostperspektive in der Zeitschrift. Autor*innen gibt es zu diesem Thema mehr als genug.

Schöne Grüße

Marko Hehl

Vom Leser empfohlen:
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