WERT/E – Editorial zu Ausgabe 2/2023 | Frank Augustin

Cover-Illustration zu agora42 2/2023 WERT/EIllustration: DMBO – Studio für Gestaltung

 

WERT/E

Editorial zu Ausgabe 2/2023

Wie schnell sich der Wert von sogenannten Wertpapieren in Luft auflösen kann, hat sich in der Finanzkrise 2007 ff. eindrücklich gezeigt. Auch des Geldes Wert verringert sich ruckzuck bis hin zur völligen Wertlosigkeit, wenn ihm niemand mehr vertraut.

Halb so schlimm, mögen manche denken, denn Geld ist ja kein Grundnahrungsmittel. Allerdings ist deren – unbestreitbar wertvolle – Produktion auf Gedeih und Verderb an ein, gelinde gesagt, labiles Finanzsystem gekoppelt; bricht es zusammen und fallen Banken als Kreditgeber aus, gilt das Gleiche bald auch für Ernten (bzw. deren Verarbeitung und Lieferung). Denn die Pleitewelle erfasst dann auch: landwirtschaftliche Betriebe, Hersteller von Landmaschinen, von Bewässerungssystemen, von Dünge- oder Schädlingsbekämpfungsmitteln, Transportunternehmen aller Art, Ersatzteillieferanten, Brücken- und Straßenbauunternehmen etc.

Eine Gesellschaft, die sich zu sehr um Geld und dessen Vermehrung dreht, dreht irgendwann durch. Der Pseudo-Wert Geld schaltet alles gleich, gesellschaftlich Wichtiges (Ernährungssicherheit, Gesundheitswesen, Bildung …) wird dadurch abgewertet, Unwichtiges in den Rang von Wichtigem erhoben. Wirtschaftliche Tätigkeit kann Menschen letztlich nur nutzen, wenn sie in einen sinnvollen Rahmen eingebettet ist; einen Rahmen, der nicht durch monetäre Zahlenwerte, sondern durch demokratische Werte wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität vorgegeben wird. Wirtschaft muss befreit werden von zu hohen Erwartungen, wie sie im Geld-, Wachstums- und Technikglauben unserer Tage zum Ausdruck kommen. Wer an Demokratie glaubt, braucht Wirtschaft nicht zu überhöhen.

Ihr Frank Augustin
Chefredakteur

Frank Augustin
Frank Augustin hat Philosophie und Geschichte studiert, dann für das Journal für Philosophie der blaue reiter gearbeitet und ist seit 2009 für agora42 | Das philosophische Wirtschaftsmagazin tätig.