Revolution als Notbremse – Walter Benjamin (1892–1940)
Text: Eneia Dragomir
20 Jahre lang begleitete Walter Bendix Schoenflies Benjamin ein Bild des von ihm überaus geschätzten Malers Paul Klee: der Angelus Novus. Klee hatte die Zeichnung im schweizerischen Exil angefertigt, in das er nach der Niederschlagung der Münchner Räterepublik geflohen war. Der 1892 in großbürgerliche Berliner Verhältnisse geborene Benjamin hatte die aquarellierte Zeichnung 1921 erworben, musste sie nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 jedoch auf seiner Flucht nach Paris zurücklassen. 1935 brachten ihm Freunde den Angelus ins französische Exil. Erst als Benjamin 1940 auch Paris vor dem Einmarsch deutscher Truppen verlassen musste, gab er die Zeichnung mit anderen Aufzeichnungen und Texten in die Obhut des befreundeten französischen Intellektuellen Georges Bataille, der sie in der Bibliothèque nationale versteckte. Im September 1940 versuchte Benjamin, über die Pyrenäen nach Lissabon zu fliehen, mit dem Ziel, weiter in die Vereinigten Staaten zu gelangen. In einem spanischen Grenzflecken wurden er und seine Begleiter*innen von der spanischen Polizei festgesetzt. Da in Spanien 1939 faschistische Militärs mit Unterstützung NS-Deutschlands die Republik gestürzt hatten, drohte Benjamin die Auslieferung. Ob sich der Philosoph angesichts dieser Gefahr in der Nacht vom 26. auf den 27. September 1940 mit einer Überdosis Morphium das Leben genommen hat, ist immer noch umstritten. Zweifellos ist es tragisch, denn seine Begleiter*innen konnten ihre Flucht am nächsten Tag fortsetzen. Revolution als Notbremse – Walter Benjamin | Eneia Dragomir weiterlesen
Stuttgart 2045 by Reinventing Society / Render Vision, CC BY-NC-SA 4.0
Utopien erfahrbar machen
Interview mit Stella Schaller | Reinventing Society
Wie kann eine Zukunft aussehen, in der die Gesellschaft im Einklang mit den planetaren Grenzen steht und das Wohl von Menschen vor Profite gestellt wird? Die Schwierigkeit, sich eine solche Zukunft vorstellen zu können, lässt sicherlich die eine oder den anderen resigniert zurück.
Dieser Mangel an utopischen Ideen ist der Ansatzpunkt des Zentrums für Realutopien. Das Zentrum wurde Ende 2020 von Menschen mit verschiedenen fachlichen Hintergründen ins Leben gerufen und versteht sich als ein Think-and-Do-Tank. Ihr Anspruch: „Reinventing Society“. Sie wollen „gesellschaftliche Utopien eines guten Lebens innerhalb planetarer Grenzen“ entwickeln und Menschen dazu befähigen, „die eigenen und systemischen Zukunftspotenziale zu verwirklichen“. Dazu führen sie Workshops durch und bieten Beratung für Individuen, Gruppen und ganze Organisationen an. Utopien erfahrbar machen | Interview mit Stella Schaller vom Zentrum für Realutopien weiterlesen
Zukunft für alle – Wege zu neuen Wirtschafts- und Lebensweisen
Text: Nina Treu & Kai Kuhnhenn
Wenn wir auf den Zustand des Planeten schauen, dann stellt sich die Frage: Wohin steuern wir? In der zweiten Corona-Welle, angesichts des Erstarkens von Rechtspopulist*innen und Autokraten, welche die Klimakrise und gefährlich steigende Ungleichheiten vorantreiben, werden existenzielle Probleme offensichtlich. Gleichzeitig finden sich weltweit Menschen zusammen, um gegen Rassismus, für Klimagerechtigkeit und Umverteilung zu kämpfen. Es ist ein Schwanken zwischen vermeintlicher Normalität, dystopischen Zuständen und demokratischem Aufbruch. Vieles scheint möglich, aber wenig ausgemacht. Wie können wir diese Offenheit nutzen, um den Weg in eine bessere Zukunft einzuschlagen?Zukunft für alle – Wege zu neuen Wirtschafts- und Lebensweisen | Nina Treu & Kai Kuhnhenn weiterlesen
Lino Zeddies ist Ökonom, Autor und Aktivist und engagiert sich für ein anderes Geldsystem. Zusammen mit zwei Freund*innen hat er dieses Engagement alltagspraktisch werden lassen: Sie teilen Geld und ihre Einnahmen in einer Finanzkooperative. Kann das gehen? Hört die Freundschaft nicht irgendwann auf, wenn’s ums Geld geht? Sein Erfahrungsbericht.Mein Geld ist dein Geld | Lino Zeddies weiterlesen
Im Januar haben wir mit Lino Zeddies, dem Initiator der Tagung „Der nächste Crash als Chance – Szenarien und Reformpotentiale“, über die Möglichkeiten gesprochen, sich auf einen Crash der Weltwirtschaft und des Finanzsystems vorzubereiten. Mit der Verbreitung des Corona-Virus‘ ist eine ganz andere Krise eingetreten, die jedoch ebenfalls grundsätzliche Fragen zur vorherrschenden Wirtschafts- und Produktionsweise aufwirft. Wir haben daher mit Lino Zeddies darüber gesprochen, welche Reformnotwendigkeiten, aber auch Möglichkeiten sich abzeichnen.Wir stehen als Gesellschaft an einem Scheidepunkt | Interview mit Lino Zeddies weiterlesen
Ich wache auf. Es ist heiß. Die Novemberstürme haben mal wieder Saharasand nach Berlin gebracht. Ich stehe auf und gehe auf den Balkon. Die Dächer der kleinen Straßenbeete und die Lastenräder sind überzogen von einer feinen Staubschicht. Der Sand setzt sich auch im Dickicht der bewachsenen Hauswände ab. Ich lasse die kugelförmigen Windräder aus ihrer Sturmhalterung fallen. Sie drehen sich in Windrichtung und arbeiten weiter. Die Turbinen im Inneren flattern leise und klingen erschöpft von der stürmischen Nacht. Auch auf der Straße brummt und surrt es leiser als sonst. Ich bilde mir ein, dass die Insekten, die sonst um die Hauswände schwirren, sich noch vor dem Sturm verstecken.
Ich schaue hoch auf unser Dach und sehe Elif und Nimo die Solarfolie und die Beete überprüfen. „Juli, kannst du mal schauen, ob wir uns schon wieder selbst versorgen oder ob wir noch auf das Viertelnetz angewiesen sind?“ Ich schaue auf die kleine Anzeige neben der Tür. „Alles im grünen Bereich.“ Wir haben zwar einen Speicher im Keller, aber etwa alle zwei Wochen beziehen wir für kurze Zeit Strom aus dem Niederspannungsnetz des Viertels. Es gibt im Viertel ein kleines Geothermiekraftwerk und einen Wärmespeicher. Das Netz gehört, genau wie das Wassernetz, der Viertelgemeinschaft. Für die Instandhaltung der Strom- und Wassernetze für die Häuser, Straßen- und Dachbeete gibt es ein kleines Kollektiv von Netzmonteur*innen, zu dem auch Elif gehört. Elifs Mutter war in den 2030er-Jahren als Managerin an der Entflechtung der großen Energieunternehmen beteiligt. Elif hingegen ist eher handwerklich veranlagt. Sie arbeitet 15 Stunden die Woche beim Netzkollektiv, fünf weitere Stunden werden für gemeinsame Entscheidungen der Mitarbeitenden und die Rückkopplung an die Viertelgemeinschaft benötigt. Elif flucht immer, wenn keine reine Selbstversorgung mit Strom möglich ist. Für sie ist Eigenversorgung der ideale Zustand und jegliche Abhängigkeiten hält sie für einen Systemfehler. Dabei sind die vielen Ebenen und Redundanzen seit den 2030ern wesentliche Bestandteile des Strom- und auch des neuen Wirtschaftssystems. Nur so konnte Versorgungssicherheit immer und in allen Bereichen garantiert werden. Tatsächlich brauchen wir die Mittelspannungsnetze nur vier bis fünf Mal im Jahr. Wenn ein regionales Übertragungsnetz alle Jubeljahre anspringt, herrscht fast so etwas wie Panik in der Hausgemeinschaft. Dabei gibt es noch ein europäisches und ein globales Übertragungsnetz als letzte Stufe, die prinzipiell jede Haus-, Viertel- und Regionalgemeinschaft versorgen könnten. Auf jeder der verschiedenen Ebenen sind Wind-, Solar- und Wasserkraftanlagen sowie saisonale Wärmespeicher, Pumpspeicherwerke und flexibilisierte Biogasanlagen als Reserven eingebaut. Das System hat sich in mehr als 30 Jahren bewährt. 2065: Endlich Wirtschaftsdemokratie – von Lia Polotzek weiterlesen
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