Der Mensch will Ordnung: Städte, Dörfer, Vereine, WGs und Familien, Bauernhöfe, Unternehmen, Verkehr, technische Systeme aller Art, Statistiken und Tabellen, Systematiken und Tabellen, Sprachen, Apps, Gärten, Regale, Gemälde, Noten – ohne Ordnungen wäre das Leben sinnlos und leer. Aber keine Ordnung kann bleiben.
Was man in Ordnung investiert, wird man, früher oder später, verlieren. Weil nichts bleibt. Das Leben ist also sinnvoll und sinnlos zugleich. Es ist widersprüchlich. Damit gilt es sich zu arrangieren. Manche, viele wohl, möchten sich damit aber nicht abfinden. Sie wollen eine Welt, in der man nicht immer wieder alles verlieren muss, was man gewonnen hat; in der etwas bleibt, das nicht nur Veränderung ist; in der man auf einem festen Fundament aufbauen kann. Sie wollen nicht viele Ordnungen, die nebeneinander existieren, die entstehen und vergehen, sondern eine Ordnung. Eine All-inclusive-Ordnung. Eine stabile Ordnung.
Geht Ordnung aber aufs Ganze, soll für alle Menschen Gültiges bestimmt und alles eingeordnet werden, wird das freie Spiel der Ordnungen unterbunden, das Menschen zur Sinnfindung, also zur sozialen und individuellen Ordnungsverwirklichung, brauchen. Die Regel ist simpel: Wer bleibenden Sinn will, bekommt maximalen Sinnverlust – Chaos. So wie jetzt, da wir das Ende der letzten großen Ordnungsfantasie erleben, der rationalsten, verrücktesten, wendigsten, starrsten, süßesten, giftigsten.
Wie die neue Ordnung aussehen soll? Falsche Frage. Denn erstens ist der Traum von einer All-inclusive-Ordnung endgültig ausgeträumt. Und zweitens kann kein Mensch auch nur ahnen, was nach einem Zusammenbruch kommen wird, der wirklich alles umfasst. Es ist ganz einfach: Während wir uns überlegen, was wir vom Alten erhalten wollen – und können! – und uns um eine solide Grundversorgung für alle kümmern, werden neue Ordnungen entstehen.
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Ihr Frank Augustin
Chefredakteur, faugustin@agora42.de
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Hat Philosophie und Geschichte studiert und war Redakteur beim Journal für Philosophie der blaue reiter. Kapitalismus ist für ihn ein kulturelles, nicht in erster Linie ein wirtschaftliches Phänomen – und längst zur gesellschaftlichen Normalität geworden. Was aber normal war, steht in Frage: Ohne den festen Glauben an die segensreiche Wirkung von Wachstum und technischem Fortschritt wird dem Kapitalismus die Lebensgrundlage entzogen. Es bleibt ein sinnloses Weiter-so, ein leeres Mehr des Geldes und die Gleichschaltung aller Lebensbereiche unter quantitativen Gesichtspunkten.
Was tun? Wie kann man verändern, was als normal betrachtet wird? Wie befreit man die Wirtschaft von der Wachstumsideologie? Wie kommt man wieder ins Handeln und kann beginnen, den unvermeidlichen ökonomischen und gesellschaftlichen Zusammenbrüchen entgegenzuwirken?

