Illustration: DMBO – Studio für Gestaltung
HOFFNUNG: Editorial zur Ausgabe 3/2025
„Denken Sie auch oft, die Welt sei verrückt geworden? Und haben Sie manchmal das Gefühl, dass sich das auch nach überstandener Coronapandemie nicht ändern wird? Nun, ich befürchte, dieses Gefühl trügt nicht. Es spricht alles dafür, dass die Auflösung der bisherigen Normalität auf absehbare Zeit der Normalzustand sein wird. Man kann insofern die ‚Optimist*innen‘ verstehen, die ein Zurück zur alten Normalität halluzinieren, weil sie befürchten, sonst in ein schwarzes Loch zu fallen. Doch man sollte nicht wider besseres Gefühl handeln und dieser Hoffnung widerstehen.“
Nun, allzu großer Widerstand hat sich seit Ausgabe 2/2021 nicht gezeigt (Stopp! Neustart, Zitat aus dem Editorial). Im Gegenteil: Je deutlicher die Auflösungserscheinungen der alten Normalität werden, desto absurdere Konzepte werden ersonnen und Anstrengungen unternommen, um die Hoffnung auf deren Fortbestand am Leben zu erhalten.
Erschwerend kommt hinzu, dass keine gesellschaftliche Debatte über die sozioökonomische Situation stattfindet, in der wir uns befinden. Es kann nicht sinnvoll über das gesprochen werden, was alles durchzieht und bestimmt: Kapitalismus. Er ist vollkommen selbstverständlich geworden. Man könnte sogar sagen: Kapitalismus ist unbewusst. So behaupten zum Beispiel überzeugte Kapitalismus-Anhänger*innen aus meinem Bekanntenkreis, sie seien kapitalismuskritisch – und dies sogar sehr! Sie merken also nicht, dass sie außerstande sind, eine geistige und emotionale Distanz zum Kapitalismus einzunehmen, die es ihnen überhaupt erst ermöglichen würde, diesen zu kritisieren.
Deshalb steht alles auf dem Kopf. Wer sich für normal hält, hat jeglichen Realitätsbezug verloren. Wer Probleme lösen will, vergrößert sie. Wer vernünftige Kompromisse sucht, verursacht die übelsten Konflikte. Wer seine Interessen verfolgt, schaufelt das eigene Grab. Wer Sicherheit und Fortschritt will, sorgt für Chaos und Untergang.
Der logische Schluss: Es sollte das erhofft werden, vor dem man sich am meisten fürchtet. Und das ist ganz offensichtlich genau das, was verzweifelt vermieden werden soll: der Zusammenbruch unserer Lebensrealität. Nicht aus Zynismus oder weil man sich dadurch Macht oder Vorteile erhofft, das ist klar. Sondern damit der Weg frei wird für den längst fälligen gesellschaftlichen Neuanfang.
Verrückt, oder?
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Ihr Frank Augustin
Chefredakteur, faugustin@agora42.de

Frank Augustin hat Philosophie und Geschichte studiert, dann für das Journal für Philosophie der blaue reiter gearbeitet und ist seit 2009 für agora42 tätig.
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