
Man muss Arbeit und Muße wieder zusammen denken
Text von Andrea S. Klahre
Es gibt Worte, die aus einer fernen Zeit ins Heute sprechen. Muße ist so ein Wort, ein kurzes mit einer längeren Ausdehnung. Was erschließt sich, wenn man über seinen Klang und seine Bedeutungen nachdenkt – oder gar über sein Verschwinden? “Verschwindet Muße, stirbt mit dem Wort eine ganze Welt”, meint der Philosoph Holger Zaborowski und hat mit Gleichgesinnten die Gegenpole Absichtslosigkeit und Arbeit in der neuen Kategorie Arbeit 5.0 zusammengeführt.
Nachgefragt bei Holger Zaborowski
Lieber Professor Zaborowski, 2018 stand der Kultursommer Rheinland-Pfalz unter dem Motto “Industrie-Kultur”. Zu diesem Anlass haben Sie mit Ihrem Kollegen Martin W. Ramb den Sammelband Arbeit 5.0 oder: Warum ohne Muße alles nichts ist herausgegeben. Warum dieser Anlass?

Das Motto „Industrie-Kultur“ beinhaltet eine Spannung. Industrie kommt vom lateinischen “industria”, dem Wort für Arbeit, Betriebsamkeit oder Fleiß. Zu einer Kultur gehört wiederum nicht nur die Arbeit, das herstellende Handeln, das immer für etwas gut sein muss, sondern auch die Muße als mächtiger Gegenpol, die ihren Zweck ausschließlich in sich selbst findet. Das wird heute oft vergessen. Daher wollten wir daran erinnern, dass man Arbeit und Muße wieder zusammen denken muss.
Arbeit ist nur menschlich, wenn sie in Mußezeiten eingebunden ist. Weil man die digitale Arbeitswelt als Industrie 4.0 oder Arbeit 4.0 bezeichnet, wollten wir mit “Arbeit 5.0” darüber hinausgehen und die Vision einer neuen Integration von Arbeit und Muße entwickeln. Hierbei bedeuten Mußestunden nicht einfach Nichtstun; sie können sehr aktiv sein – und anstrengend. Denken Sie an jemanden, der musiziert, kocht, liest, seinen Garten pflegt oder wandert. Man muss Arbeit und Muße wieder zusammen denken weiterlesen