The Black Monday Murders – ein Comic über die Schwarze Magie der Börse

The Black Monday Murders –

ein Comic über die Schwarze Magie der Börse

Text: Bernd Villhauer, Bilder: Image Comics

 

Es war wohl nicht zu vermeiden, dass in meinen Seitenblicken auf die Finanzwelt auch einmal ein Comic besprochen wird. Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich der „9. Kunst“, dem Comic-Genre, schon verfallen bin, seitdem ich „Daniel Düsentrieb“ fehlerfrei aussprechen konnte. Es kommt also wie es kommen musste. Allerdings gebe ich keinen Überblick über das Thema „Börse im Comic“ – das wäre auch ein faszinierendes Projekt, das aber zur Zeit noch in der Schublade „Recherche!“ ruht. Vorab will ich nur meiner Freude über den lesenswerten neuen Comic The Black Monday Murders Ausdruck verleihen, der in einer außergewöhnlichen Weise auf die Finanzwelt blickt.

The Black Monday Murders wurde geschrieben von Jonathan Hickman und gezeichnet von Tomm Coker; der erste Band des Werks ist erschienen am 25. Januar 2017 unter dem Titel „All Hail. God Mammon“, der zweite Band wird (endlich) am 20. Dezember 2017 herauskommen. Publiziert wird The Black Monday Murders von Image Comics. Diese Angaben beziehen sich auf die Sammelbände, zu den einzelnen Heften findet man Informationen auf der Image-Homepage.
Zunächst sollten jene gewarnt sein, die einen „kultivierten“ Bildungscomic oder ein Sachbuch als Graphic Novel erwarten. Obacht! Hier wird nicht ein historischer oder philosophischer Stoff über das Medium Comic popularisiert und verkauft, weil – so die oft gemachte Annahme – mit Comics auch weniger klugen Menschen behutsam die Geheimnisse der Welt nahegebracht werden können. Die gepflegte Langeweile, die viele der „Adam Smith in Bildern“- oder „Nietzsche als Comic“- bzw. „Ökonomie leicht gemacht“-Aufbereitungen umweht, kann hier nicht aufkommen.
Im vorgestellten Comic geht es um das gefährliche Ganze. In der Welt von The Black Monday Murders werden die Genres Kriminalgeschichte, Horror-Story, Familiensaga und Politikthriller kombiniert – es wird intrigiert, gekämpft und gestorben, was das Zeug hält. Die zeichnerische Umsetzung ist dabei so „explizit“, dass ängstliche Gemüter mit schwachem Magen besser nicht zugreifen sollten. Eine Ebene des Comics ist adäquat und keinesfalls herablassend durch „okkulte Detektivgeschichte mit drastischen Handlungsverläufen“ zu beschreiben: H.P. Lovecraft und Raymond Chandler gehen auf eine Feier, wo sie J.P. Morgan und Nathan Rothschild treffen.

Bernd Villhauer
Bernd Villhauer ist Direktor des Weltethos Instituts Tübingen und Autor der Kolumne „Finanz & Eleganz“. Überlegungen zur Kolumne finden Sie in der Einführung.

Aber wer sich von reichlich strömendem Blut und düsteren Szenarien nicht abschrecken lässt, der wird mit einer klugen und vielfältigen Reflexion über Finanzielles und Börse belohnt. Eine der Hauptbotschaften ist:

Am Anfang war das Geld!

Es wird nicht weniger unternommen als eine Parallelgeschichte des Geldes und der Geldvermehrung zu erzählen. Das Finanzgeschehen ist in dieser Darstellung die eigentliche Realitätsebene, von der die uns zugängliche Welt nur eine Widerspiegelung, meist ein matter Abglanz ist. Die monetäre Kalkulation war vor allen anderen Kulturleistungen – weshalb die eine große Sprache der Welt auch die Sprache des Geldes ist – und diese ist im Kern eine Sprache der Magie. Are you confused?

Der Autor Hickman gibt sich große Mühe, mit Tabellen und Sprachtafeln eine Art Pseudo-Dokumentation dieser eigentlichen Welt der Proto-Mathematik und der Proto-Ökonomie aufzubauen. Die rhetorische Figur vom „Zauber des Goldes“ nimmt der Comic vollkommen ernst – materielles Vermögen entsteht durch Beschwörung, Kult, Verwandlung und Opfer. Und damit sind eben (Krimihandlung!) auch Menschenopfer gemeint. Denn, so eine der eindrucksvollen Szenen im Buch, die Broker und Bankiers, die während des großen Börsencrashs 1929 ihre Hochhausbüros durch die Fenster verließen – die taten das nicht immer freiwillig …
Da die Welt, in der die Black Monday Murders spielen, von einigen wenigen großen Familien und Clans beherrscht wird, kommt zur Verschwörungspraxis gleich die passende Verschwörungstheorie. Womit wir vielfach vermintes Gelände betreten. Und tatsächlich schmiegt sich das Universum dieser okkulten Geldbeschwörung und Geldverschwörung manchmal unangenehm nahe an den Neo-Feudalismus der Gegenwart. Hat es nicht wirklich etwas „Zauberhaftes“ wie bestimmte Familien das Vermögen der Vorväter horten und vermehren? Und reizt die Verschwiegenheit des großen alten Geldes nicht zu Spekulationen? Indem Hickman / Coker ein Pandämonium der Finanzzauberei erstehen lassen, verleihen sie Ängsten Ausdruck, die wir alle kennen. Geht das denn mit rechten Dingen zu, dass mache Erbinnen und Erben jeden Tag Millionenbeträge einstreichen? Ist das Aufstiegsversprechen, von dem alle marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaften abhängen, noch glaubwürdig, wenn sich Eliten in dieser Weise reproduzieren und sich die Vermögen immer stärker konzentrieren? Zumindest für die USA, in denen der Comic spielt, ist die Angst vor einer Finanzoligarchie nicht unberechtigt – auch wenn sie nicht regelmäßig Lebewesen auf dem Hausaltar ausbluten lässt.

Bernd Villhauer
In der Kolumne “Finanz & Eleganz” geht Bernd Villhauer den Zusammenhängen von eleganten Lösungen, Inszenierungen, Symbolen und Behauptungen einerseits sowie dem Finanzmarkt andererseits nach. Grundsätzliche Überlegungen zu der Kolumne finden Sie in der Einführung.

Und gleichzeitig war das für mich persönlich eine der wenigen Fragwürdigkeiten beim Lesen: Muss es sein, dass in neuem Gewand die gleichen alten Verschwörungsplots um die Ecke linsen? Muss eine der Familien unbedingt die der Rothschilds sein? Und ist es wirklich sinnvoll, dass die Politik nur ganz und gar abhängig dargestellt wird, als ein Subsystem der Finanzmacht? Hier hätte ein bisschen mehr Luhmann und ein bisschen weniger Lovecraft gut getan. Die Systemdynamik isst letzten Endes doch jeden Verschwörerzirkel zum Frühstück. Ein klein bisschen Zielkonflikt zwischen den politischen, intellektuellen und wirtschaftlichen Eliten hätte also nicht geschadet.
Aber der Autor von The Black Monday Murders hat sich entschieden: Geld regiert die Welt – und zwar die sichtbare wie die unsichtbare. Das macht alles ziemlich catchy, aber sorgt eben auch für die selbstbewusste Oberflächlichkeit, den strahlenden Katzengoldglanz, den jeder große Comic hat. Auch diese Bilderzählung kennt ihre Grenzen, aber innerhalb dieser Grenzen bringt sie eine Welt der Geld-Referenzen zum Schwingen.
Die zwingende Logik mancher Märchen beruht darauf, dass nichts vom Erzählten real ist, aber die Ängste, auf die die Erzählung zielt, sehr wohl. The Black Monday Murders ist das düstere Märchen von den Zahlungsströmen, die unser Leben sinnvoll und sinnlos machen können. Der Comic macht ernst mit der Vermutung, dass das Geld eine Beschreibung der Welt liefert – und zwar oft eine furchtbar genaue.

Geschrieben bei einer Tasse Tee am 13. Oktober 2017