GOLD! oder Bemerkungen über fahrbare Sümpfe – von Bernd Villhauer

GOLD!

oder

Bemerkungen über fahrbare Sümpfe

Text: Bernd Villhauer

Gerade heute lese ich, dass Gold als Anlage ein Comeback feiert, die Aussichten rosig sind. Warum das nun? Es gibt einen Korridor, in dem sich der Goldpreis seit 2013 hin- und herbewegt, zwischen rund 1.050 Dollar und 1.350 Dollar pro Feinunze (das sind ungefähr 31 Gramm). Und nun rüttelt das Gold an den Gitterstäben ‑ es sieht danach aus, als würde es nach oben ausbrechen ‑ ab dem magischen Wert von 1.355 Dollar gilt: „the sky is the limit“.

Zeit, sich auch einmal in „Finanz & Eleganz“ mit dem Edelmetall zu beschäftigen. Denn eine gewisse ästhetische Wertigkeit kann man ihm wohl kaum absprechen. Als Schmuckmaterial ist es allgegenwärtig, es hängt in Kettenform nicht nur um zahlreiche indische oder chinesische, sondern auch deutsche Hälse und die große Mehrheit der Eheringe ist aus ihm gefertigt. Zwar holen Platin, Palladium und Titan auf, sogar Edelstahl wird beliebter, aber dennoch hält sich Gold unangefochten an der Spitze des Paarschmucks. Schönheit für die Ewigkeit ‑ bitte nur mit Gold. Warum ist das so? Was steckt hinter dem Soliditätsversprechen des chemischen Elements Aurum mit der Ordnungszahl 79? Warum zeigt sich z.B. bei Eheringen nicht die ganze Materialvielfalt unserer modernen Welt ‑ von fluoreszierendem Hartplastik über parfümierte Presspappe bis zum polierten Feinbeton?

In der Kolumne “Finanz & Eleganz” geht Bernd Villhauer den Zusammenhängen von eleganten Lösungen, Inszenierungen, Symbolen und Behauptungen einerseits sowie dem Finanzmarkt andererseits nach. Grundsätzliche Überlegungen zu der Kolumne finden Sie in der Einführung.

Gold ist eben etwas Besonderes. Es verkörpert seit Jahrtausenden ein Wertversprechen. Es spielt in fast jeder Religion eine Rolle und war immer wichtig als Material der sakralen wie profanen Kunst; es ist ein letzter Wert-Anker in den Tresoren der Zentralbanken und viele Millionen Kleinanleger in der ganzen Welt fühlen sich besser, wenn sie den Blick liebevoll über ihre Maple Leafs, Krügerrands oder Vrenelis gleiten lassen können ‑ alles gern gekaufte Gold-Anlagemünzen.

Das Metall gilt als der klassische Schutz vor Inflation und der ultimative Krisenstoff ‑ überall und immer verwendbar. Dass man für Gold, allen Entwertungen zum Trotz, immer noch ungefähr den Warenwert einkaufen kann, der auch in der Antike dafür zu haben war, kann einen schon beeindrucken. Ein Laib Brot kostet in Gold ungefähr das Gleiche wie vor 3000 Jahren … Welcher monetäre Wert könnte da mithalten? Welches Geld ist so lange zahlungskräftig geblieben?

Ein James-Bond-Verweis darf nicht fehlen. In „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) erhält 007 zu seiner üblichen Ausrüstung mit aktuellen Gadgets auch Goldmünzen, um wirklich jeder Situation gewachsen zu sein. Ein Geheimfach in seinem Agentenköfferchen enthält Plastikstreifen mit Münzen, vermutlich die schönen Gold-Sovereigns.

Und dann ist da natürlich Auric (!) Goldfinger … Auch dieser Superverbrecher vertraut im Bond-Klassiker von 1964 auf die Werthaltigkeit des glänzenden Metalls. Und als Beweis der Relevanz angewandter Wirtschaftswissenschaft will er eine radikale Angebotsverknappung durchführen, indem er das Gold-Depot der USA in Fort Knox atomar verseucht. So plant er den Wert des eigenen Goldbesitzes signifikant zu erhöhen. Damit hat er einen entscheidenden Aspekt des Goldes gut erfasst. Es steht nur in einer begrenzten Menge zur Verfügung! Man geht derzeit von weltweit ca. 170.000 Tonnen aus, 2018 wurden davon ziemlich genau 3.364 Tonnen gefördert. Anders als Papiergeld ist Gold also nicht beliebig vermehrbar. Darum dreht sich auch die Argumentation der Leute, die Gold zur Grundlage des Währungssystems machen wollen, also die Wiedereinführung des Goldstandards fordern.

Eignet es sich wirklich gut als Wertspeicher, der interkulturell und intertemporal (wann kann man diese Fremdwort schon mal benutzen?) eine Grundlage soliden Wirtschaftens bietet? Die Meinungen gehen auseinander. Die historische Erfahrung spricht dafür, auch die Instabilitäten des Papiergeldsystems bzw. die Ausgabenwut der Regierungen lassen einen nach Alternativen suchen. Gold ist in der Psyche der Menschen so gut als wertvoll verankert, dass wir immer wieder darauf verweisen können ‑ auch wenn über viele Jahre ein Gold-Investment keinerlei Zuwächse bringt und das investierte Kapital sich nicht vermehrt. 2012 zum Beispiel war der Goldkurs schon einmal wesentlich höher. Wer damals gekauft hat, der weint immer noch über die Verluste… Gehen wir aber zurück ins Jahr 2005, dann stellen wir einen schönen Aufstieg fest. Man muss nur den richtigen Zeitraum ins Auge fassen ‑ und beim Gold kann der gar nicht lange genug sein. Deswegen zwinkern uns die Großhistoriker, Prognostiker, weltpolitischen Auskenner und strategischen Meisterdenker immer wieder ihre Goldempfehlungen zu.

Bernd Villhauer
Dr. Bernd Villhauer ist Geschäftsführer des Weltethos Instituts Tübingen.

Allerdings darf auch mit Recht gefragt werden, ob eine dynamische, sich ständig verändernde und meist wachsende Wirtschaft in Goldfesseln gelegt werden sollte. Es gibt gute Argumente, die dafür sprechen, dass die große Wirtschaftskrise am Ende der 20er Jahre im letzten Jahrhundert viel schneller vorbei gewesen wäre ohne den Goldstandard. Wie können wir bei Bedarf die Geldmenge erhöhen und den Geldumlauf verbessern ‑ wenn alles goldgedeckt sein muss? Und was nützt es uns, wenn wir in der Gegenwart verhungern, dafür aber die Inflation bekämpft wurde? Man wird ja mal fragen dürfen.

Manchen dürfte die Stabilität des Goldes zu langfristig gedacht sein und die Statik eines solchen Systems zu unflexibel. Geduld ist in jedem Fall gefragt. Also wenn es mit dem Investment in der eigenen Lebenszeit nicht hinhaut, dann kann man sich schon jetzt für Enkel und Urenkel freuen.

Aber Achtung ‑ mit dem Stichwort „Enkelsicherheit“ rufen wir auch die Nachhaltigkeitsperspektive ins Gedächtnis. Können wir guten Gewissens Gold kaufen? ‑ Eigentlich nicht so richtig, da zum einen der Energiebedarf enorm ist und dazu noch ein großer Chemikalieneinsatz die Öko-Bilanz des Goldes nachhaltig versaut. In 1000 Tonnen Gestein sind durchschnittlich nur rund 4 Gramm Gold enthalten. Und dieses Gold wird auch unter hohen sozialen Kosten geschürft. Also Augen auf beim Klunkerkauf! Es gibt immerhin auch „Fair Trade-Gold“, bei dem diese Faktoren berücksichtigt werden und natürlich recyceltes, wiedereingeschmolzenes Gold. Aus der Suppenschüssel wird ein Kronleuchter, aus dem ein Reliquienschrein und daraus wiederum eine Anlagemünze.

Gold ist ein wirtschaftshistorisches Themen-Glanzstück und verdient volles Interesse. Es ist aber auch ein Prüfstein für meine persönliche Haltung zum Besitz und zur Anlage. Welchen Werterhalt möchte ich? Was ist für mich Scheinsicherheit und was echte Sicherheit? Gold stellt uns also ein paar sehr interessante Fragen. Und ist es wirklich so wichtig, dass auch in 3000 Jahren noch Nachfahren sich von unseren ollen Goldmünzen ein Brot kaufen können? Es glänzt eben einfach so schön …

Aber was ist nun mit den fahrbaren Sümpfen? Ja, mit diesem Bild wollte ich eigentlich etwas über die geschichtlichen Wechselfälle sagen und darüber, dass sich ganz ähnliche gefährliche Sumpflandschaften immer wieder in der Finanz- und Goldgeschichte finden. Aber im Titel machte es sich dann doch besser als in der Argumentation. Manchmal sehen die Sachen einfach gut aus und überzeugen schon dadurch. Vielleicht sagt uns auch das etwas über Glanz und Gehalt des Goldes?

 

Geschrieben bei einer Tasse Tee am 24. Juni 2019