
„Wir haben einen unmöglichen Ort geschaffen“
Das Château d’Orion ist ein Gästehaus inmitten der südwestfranzösischen Provinz zwischen Biarritz und Pau. Hier sind die Pyrenäen atlantisch, Surfer treffen auf Pilger, Frankreich und Spanien laufen zusammen. 2003 übernahmen Elke und Tobias Premauer das Landschloss aus dem 17. Jahrhundert und gründeten hier einen Ort der Begegnung, der Impulse für ein Europa der Regionen schafft. Es ist die Suche nach einem gelingenden Leben, die Sehnsucht nach einem Raum zum freien Denken sowie das Interesse an Menschen und ihren Geschichten, welche die ehemalige Journalistin und den einstigen Manager hierher getrieben haben.
Das Chateau d’Orion ist mitten in der Natur. Dort veranstalten Sie sogenannte Denkwochen. Ist das Kalkül oder Zufall, dass Sie fernab der Zivilisation zum Denken einladen?
Ja, das war und ist beabsichtigt, weit weg vom Alltag, abgelegen einen Raum zu schaffen der grenzenloses Denken zulässt. Die Idee der Denkwochen basiert ja genau darauf, dass wir uns mit Fragen beschäftigen, zu denen wir in der Hektik des „normalen“ Lebens nicht kommen. Auch wenn wir uns mit literarischen Themen wie Dr. Faustus und die Musik beschäftigen, geht es immer darum, was hat das mit der heutigen Gesellschaft zu tun, welche Prozesse sind darin erkennbar. Wie werden festgefahrene Meinungen, die wir uns in der Regel aus Erfahrungen oder selektiven Wahrnehmungen angeeignet haben Haltungen und Erkenntnisse, die denkbar vernünftig und fühlbar sind. Die Ausschließlichkeit liegt im Argen, das sowohl als auch zu erkennen, das soll in einer Denkwoche erlebbar werden. Und dazu ist es gut, sich auf den Weg zu machen. Außerdem liegt Château d’Orion in einer reichen Kulturlandschaft mit vielen Brüchen, deren Irritation die Wirren des Lebens deutlich machen und in unsere Reflexionen integrierbar sind. Nicht die schiere Idylle wird hier erlebt, sondern Inspiration und Irritation. Wissen allein genügt nicht, wir müssen den Willen zur Transformation haben.
Im Jahr 2012 machten wir eine Ausgabe zum Thema Wissen und betitelten diese Ausgabe „Wir wissen genug!“ Wir wissen um die Probleme der Welt und wir wissen, wie sie zu lösen wären. Aber wir tun es nicht. Warum?

Exakt diese Frage hat uns eben auch umgetrieben, als wir 2005 mit den Denkwochen begonnen haben. Ich hatte als Journalistin genau diese mulmige Gefühl, ständig die Flut an Informationen zu vergrößern und dabei nach Orientierung zu suchen. Im Grunde wissen wir alles, kennen andere Wege und stecken in der normativen Kraft des Faktischen fest. Das geht nicht weil wir uns im Grunde selbst im Wege stehen diese Grundeinstellung zu durchbrechen. Einen unmöglichen Ort dafür zu schaffen, dazu haben wir uns auf den Weg gemacht. Selbstredend wissen wir um die Komplexität genauso, wie um die Grenzen eines Modells. Doch genau diese Herausforderung wollten wir annehmen, um durch die Kraft der kleinen Kreise und der geteilten Intelligenz Trägheit zu durchbrechen und den Horizont zu erweitern. Mit dem Blick auf die Pyrenäen haben wir es jedenfalls schon geschafft. Doch wir können wohl schon sagen, dass so mancher Perspektivenwechsel stattgefunden hat.
Wie stehen Sie zu der Aussage von Greta Thunberg, dass die Erwachsenen die Zukunft ihrer Kinder und der Generationen danach aufs Spiel setzen, wenn sie so weiter machen wie bisher? Ist es die Aufgabe der neuen Generation, einen angemessenen Umgang mit Natur und somit des Klimas zu finden?
Ganz sicher hat Greta Thunberg recht, wenn sie sagt, dass die Erwachsenen die Zukunft ihrer Kinder und Enkel aufs Spiel setzen. Wir haben uns viele Gedanken gemacht, warum wir da noch so wenig erreicht haben. Damals, als wir jung gewesen sind, hatten wir andere Ziele der Veränderung vor Augen, da war auch viel zu tun. Wir haben uns andere Fragen gestellt. Deshalb ist es so wichtig, sich immer wieder zu vergewissern, stellen wir uns überhaupt die richtigen Fragen? Und ganz sicher hat das Klima oberste Priorität. Es ist wunderbar, dass es die ganz Jungen sind, die uns nun drängen alle Hebel in Bewegung zu setzen. Wir haben hier ja die Devise von Heinrich Mann „Wer denkt soll handeln“ umformuliert in „Wer handelt soll denken!“. Es ist ganz sicher nicht alleine die Aufgabe der jungen Generation Lösungen zu finden, es geht nur gemeinsam.
Was ist für Sie Natur?
Natur ist schieres Leben.
Goethe sagt es noch schöner:
»Geheimnisvoll am lichten Tag, lässt sich die Natur des Schleiers nicht berauben. Und was sie Deinem Geist nicht offenbaren mag, das zwingst Du nicht mit Hebeln und mit Schrauben«