Illustration: DMBO – Studio für Gestaltung
ZUSAMMENBRUCH
Editorial zu Ausgabe 1/2023
Es ist nicht die Frage, ob der Zusammenbruch kommt oder nicht. Die eigentliche Frage ist, weshalb so viele den Zusammenbruch nicht sehen oder nicht sehen wollen.
Dass es so wie bisher nicht weitergehen kann, ist allgemein bekannt. Dies aber bedeutet Zusammenbruch, denn der Kapitalismus, auf dem unser Leben beruht, muss weitergehen oder er geht unter.
Um das zu verstehen, muss man kein Genie sein – oft scheint einfach der Mut zu fehlen, eins und eins zusammenzuzählen und sich der Realität zu stellen. Überdies ist auch völlig klar, dass es ein zerstörerisches System ist, dem wir uns verschrieben haben: Wir vernichten unsere Lebensgrundlagen, wirtschaften auf Substanz, ruinieren die Demokratie, leben sinnlos und freudlos in dauernder Hektik und Anspannung, verwüsten den globalen Süden – während über uns die Fahnen des ewigen Wachstums wehen. Hätte man nach den Erfahrungen des letzten Jahrhunderts nicht resistenter gegen Weltanschauungen und Heilsversprechen sein müssen, gerade hierzulande?
Wie auch immer: Wir zahlen jetzt den Preis dafür, die Gegenwartsgesellschaft nicht auf demokratischen Infight, Zukunft und Freiheit, sondern auf gemeinschaftliches Schönreden des verrückten Status quo abgestellt zu haben. Die Welt wird nicht untergehen. Es wird viel härter. Daran wird weder Selbstbetrug (grünes Wachstum) etwas ändern noch das Geraune vom „Weltuntergang“, also der Versuch, von den tatsächlichen Bedrohungen fürs eigene Dasein zu abstrahieren und sie in einen Endzeit-Blockbuster auszulagern.
Verschwenden wir keine Zeit mehr damit, den Zusammenbruch zu leugnen oder gar verhindern zu wollen. Zumal dieser ja nicht nur für ein Ende, sondern auch für einen Neuanfang steht. Brechen wir – zusammen – mit den zerstörerischen Wachstumszwängen! Ja, es liegen viele dunkle Stunden vor uns, oft werden wir an der Aufgabe verzweifeln, den Kollaps zu meistern und den Kapitalismus und seine „unreifen Rasereien“ (Albert Camus) endlich hinter uns lassen. Schließlich aber werden wir daran wachsen.
Ihr Frank Augustin
Chefredakteur