Cappuccinos für Senioren oder: Eines ist unsicher – die Rente!

Cappuccinos für Senioren oder:

Eines ist unsicher – die Rente!

Text: Bernd Villhauer

In der Kolumne “Finanz & Eleganz” geht Bernd Villhauer den Zusammenhängen von eleganten Lösungen, Inszenierungen, Symbolen und Behauptungen einerseits sowie dem Finanzmarkt andererseits nach. Grundsätzliche Überlegungen zu der Kolumne finden Sie in der Einführung.

Finanzen – genau wie Sodbrennen ein lebenslanges Thema! Aber welche Rolle spielt es genau in den  verschiedenen Lebensabschnitten? Eine zu geringe sagt uns die Intuition. Wahrscheinlich sollten wir kurz nach dem Schulabschluss unsere Strategie festlegen (für die Rente, nicht für das Sodbrennen) – ab er wer tut das außer ein  paar Langweilern?

Normalerweise geht der Bundesbürger das Problem der finanziellen Vorsorge für das Alter nicht an, bevor er schon die ersten grauen Haare bekommt. Dabei gibt es doch die Gefahr der Altersarmut. Aber gibt es die wirklich? In Deutschland? In Europa? Und welche Schichten betrifft sie genau? Das Unwissen ist groß, die Angst noch größer – und daraus lässt sich großartig Kapital schlagen, auch politisches…

Sehen wir uns also die Finanzen der Altersvorsorge einmal an. Motiviert dazu hat mich Frau Mau, die mich zu nachhaltigen Produkten für die Rentenplanung befragt hat. Ihre Beobachtungen hat sie im empfehlenswerten Online-Magazin „Krautreporter“ gesammelt. Für diesen Blog hier werden natürlich der Aktienanteil und der Finanzmarkt eine Rolle spielen, aber vorher wollen wir ein paar Worte über das grundsätzliche Modell verlieren. Die „Sendung mit der Maus“ behandelt das ja eher selten. Das fällt mir jetzt erst auf: Wann werden jemals Finanzfragen von der Maus in den Blick genommen? Wie zahlen Elefant und Ente ihre Roller? Ich jedenfalls habe noch nie einen der wunderbaren Erklärfilme zum Thema Bausparverträge oder Geldautomaten gesehen, von Wertpapieren oder dem Goldstandard ganz schweigen. Laser-Hologramme, Skateboards, Konservenfisch und Satelliten ja – aber Geld? Dazu schweigt das Flaggschiff des Infotainments im deutschen Kinderfernsehen. Was sagt uns das über „financial literacy“?

 

Das Umlagesystem

Aber zurück zur Rente. In der Bundesrepublik Deutschland haben wir das Umlagesystem. Das bedeutet, dass die jetzt berufstätigen Personen einen Teil ihres Einkommens abgeben und daraus die Renten bezahlt werden. Na ja, theoretisch jedenfalls. De facto wurden immer wieder in schwierigen Zeiten Gelder aus dem allgemeinen Topf Bundeshaushalt zugeschossen, aber in Zeiten der Prosperität hat man sich dann auch großzügig aus dem Rententopf bedient. Eine Rücklage jedenfalls, ein Fonds für die Bezahlung von Renten in Zeiten ohne entsprechende Einkünfte, wurde nicht geschaffen. Die steuerpflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwirtschaften die Rentenzahlungen – weswegen es auch nicht ganz unwichtig ist, wie das zahlenmäßige Verhältnis zwischen der steuerzahlenden und der rentenempfangenden Gruppe ist… Der demographische Wandel, der dafür sorgt, dass allzubald viele Alte wenigen Jungen gegenüberstehen, hat massive Auswirkungen auf die Zahlungsfähigkeit des Rentensystems. Deswegen wird der rührende Auftritt eines properen Arbeitsministers Blüm 1986 („Denn eins ist sicher: die Rente“) so gerne hämisch kommentiert.

 

Betriebliche Rente und private Vorsorge

Bernd Villhauer
Bernd Villhauer ist Geschäftsführer des Weltethos Instituts und Autor der Kolumne “Finanz und Eleganz”.

Da eben das nur auf Umlagen basierende Rentenmodell vermutlich gar nicht so sicher ist, werden zwei weitere Säulen für das Rentenmodell vorgeschlagen: betriebliche Rente und private Vorsorge. Wer nun einen zarten Geruch nach Käse-Fondue wahrzunehmen glaubt, der liegt nicht ganz falsch: die Schweiz ist auch hier (wie so oft) das Sehnsuchtsland. In der Eidgenossenschaft gibt es zur staatlichen Grundrente, die vor allem vor echter Armut schützen soll, Maßnahmen zur betrieblichen Vorsorge sowie eine Unterstützung für private Spar- und Anlage-Aktivitäten. „Drei-Säulen-Modell“ wird das genannt und manchmal mit einem Heißgetränk in Verbindung gebracht: „Cappuccino-Modell“ (wobei der Espresso für die Sockelrente, die aufgeschäumte Milch für die betriebliche Versicherung und das Sahnehäubchen für die private Vorsorge steht). Besonders christliche Sozialverbände machen sich für diese Lösung stark und fordern den Cappuccino für Senioren.

Wenn wir das Element der privaten Vorsorge genauer anschauen, dann bekommen wir hier den eleganten Übergang von der staatlichen zur individuellen Perspektive hin. Allerdings sollten wir uns davor hüten, die eine gegen die andere auszuspielen. Ein solidarisches Rentensystem, bei dem mit gemeinschaftlichen Einzahlungen letzten Endes für alle gesorgt wird, lässt sich durchaus mit aktiver Individualvorsorge und Eigeninitiative verbinden. Bislang haben alle Länder, die einseitig nur den einen Weg gehen wollten, dafür einen Preis zahlen müssen: entweder mit einer Gesellschaft, in der die sozialen Konflikte zunehmen und die Bindungskräfte zerstört werden – oder mit einem sich als allmächtig gebährdenden Staat, der für alles zuständig sein will, die Eigeninitiative lähmt und am Ende für nichts mehr Geld hat.

 

Das Mischsystem

Wenn wir das Lob des Mischsystem singen (und dafür gibt es viele Gründe), dann dürfen wir auch den Appell wiederholen, der aus der Finanzbranche schon lange erschallt: „Deutsche, kauft Aktien!“ Es dürfen auch Fonds, besonders ETFs im Rahmen von Sparplänen sein – aber koppelt Euch nicht ab von den Aktienmärkten, die einen wichtigen Beitrag zu Eurer Altersvorsorge leisten können. Und je langfristiger Ihr denkt, desto unbedenklicher wird das Ganze. Bei einem 30-jährigen Anlagezeitraum zum Beispiel beträgt auch die geringste Rendite von Fondssparplänen über vier Prozent jährlich (und dabei sind alle Kosten und Aufschläge berücksichtigt!). Wer nicht kurzfristig spekuliert, sondern langfristig spart, anlegt und investiert – der kann kaum verlieren. Das gilt natürlich nur, wenn uns nicht das ganze System um die Ohren fliegt. Aber dazu an anderer Stelle mehr…

Wer nicht kurzfristig spekuliert, sondern langfristig spart, anlegt und investiert – der kann kaum verlieren. Das gilt natürlich nur, wenn uns nicht das ganze System um die Ohren fliegt.

Altersvorsorge muss auf mehreren Ebenen gedacht werden – auch auf der, wie wir in einer vom Klimawandel und fortschreitender Umweltzerstörung gebeutelten Welt noch unsere Rente verzehren wollen. Auch diese Dimension sollte sich im Vorsorgeverhalten wiederfinden.

Vertrauen wir einen Augenblick der Weisheit der Oberflächen und werfen wir einen Blick auf die Werbung für Anlagen und Werterhalte: da sehen wir alte Bäume, unberührte Naturlandschaften, aber auch gepflegte Parkflächen, viele Bergseen, gelegentlich mal ältere Herrschaften, die ihren Nachkommen teure Uhren zeigen oder mit ihnen vor einem Premium-Oldtimer stehen. In der Welt der Werbung hinterlassen wir neben einem prall gefüllten Bankkonto, dem Ferienhaus an der mecklenburgischen Seenplatte und diversen Vintage-Kostbarkeiten eine gepflegte und gesunde Welt, Natur und Kultur in vorzeigbarem Zustand. Dass das nicht den Realitäten entspricht, das muss ich keinem sagen, der nicht den Nachnamen Trump trägt.

Es ist nicht gut bestellt um das Fortleben von Pflanzen-, Tier-, und Menschenwelt. Daher ist eine echte Vorsorge eine, die nachhaltige Finanzprodukte ernst nimmt. Es wäre doch verrückt, wenn wir die eigene Zukunft sichern mit Anlagen, die die Zukunft aller bedrohen. Dann lieber den Markt für die nachhaltigen Geldanlagen gut scannen. Dass es um deren Rendite oft sehr gut bestellt ist, zeigen die verschiedenen Nachhaltigkeitsfonds.

Darüber könnte die „Sendung mit der Maus“ auch einmal etwas bringen.

 

Geschrieben bei einer Tasse Tee am 15.10.2018