LEBEN IN DER KLIMAKRISE – Editorial zu Ausgabe 4/2023 | Frank Augustin

Brücke vor orange-farbenem HintergrundFoto: unsplash


LEBEN IN DER KLIMAKRISE

Editorial zu Ausgabe 4/2023

Die Klimakrise wird das Ende des Kapitalismus erzwingen. Vom Wirtschaftswachstum erschaffen, tötet sie jetzt ihren Erzeuger.

Das ist eine gute Nachricht. Zu viele hatten es sich mit Anspruch auf Endgültigkeit im real existierenden Kapitalismus eingerichtet, glaubten, bei den Vernünftigen und Guten, jedenfalls auf dem richtigen Weg zu sein. Und auch wenn der manchmal steinig war, genügte es in der Regel doch, einfach mitzulaufen. Nach einer halben Ewigkeit systemischer Konformität ist es kein Wunder, dass eine adäquate Reaktion auf die Gefährdungen ausbleibt: Da wird die Erderhitzung immer bedrohlicher, gefährden Extremwetterereignisse und andere Umweltkatastrophen unsere Leben(-sgrundlagen), sterben die Tierarten weg, trocknen die Böden aus, während nebenbei der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft bröckelt, psychische Erkrankungen zum Normalzustand werden usw. Und wir? Hoffen auf ein Wunder! Vielleicht löst ja eine KI wie durch Zauberei alle unsere Probleme; oder ein Supercomputer ermittelt eine Formel für das perfekte ökologisch-ökonomisch-soziale Zusammenleben; oder der Markt regelt das …

Zugegeben, das Ende wird kein schönes sein. Oder haben Sie, liebe Leser*innen, irgendetwas von einer ausgearbeiteten und anwendungsbereiten deutschen bzw. europäischen Postwachstumsstrategie gehört? Nein, Klimaziele werden künftig durch den Zusammenbruch ganzer Industrien und Branchen erreicht werden, nicht durch bewusste Transformation.

Dennoch wird das Positive überwiegen. Was bislang zu kurz gekommen ist, also die Ausbildung sozialer, demokratischer und moralischer Kompetenzen, wird einen Boom erleben und dazu führen, dass die materiellen Verluste mehr als ausgeglichen werden. Selbstverständlich hat das nichts mit einem netten Zusammenleben im Einklang mit „der Natur“ zu tun – romantische Vorstellungen und Heile-Welt-Fantasien werden an der harten Realität der Klimakrise zerschellen. Dennoch, oder gerade deswegen, steht die Tür zu einem besseren, freieren Leben weit offen. Doch damit sind wir bereits beim Thema der nächsten Ausgabe …

Ihr Frank Augustin
Chefredakteur

Frank Augustin
Frank Augustin hat Philosophie und Geschichte studiert, dann für das Journal für Philosophie der blaue reiter gearbeitet und ist seit 2009 für agora42 | Das philosophische Wirtschaftsmagazin tätig.
Cover agora42 4/2023 LEBEN IN DER KLIMAKRISE

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