1/2017 KAPITALISMUS

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Was wäre, wenn das kapitalistische System ein Mensch wäre?
Es steht nicht gut um den Kapitalismus, wie aus den Sitzungsprotokollen mit seinem Therapeuten hervorgeht. Ärzte disgnostizieren ihm zunächst eine Depression, die sich im weiteren Verlauf zur Schizophrenie steigert – mit vollkommenem Realitätsverlust.

Da der Kapitalismus jedoch ein „totales System“ ist, wie Ulrike Herrmann im Interview bemerkt, muss eine Therapie, und sei sie noch so grün oder sozial, zwangsläufig scheitern. So folgt auf die Analyse die Metamorphose und mithin die Frage: Was kommt nach dem Kapitalismus?

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Beschreibung

Der Kapitalismus, der alte Mann aus dem Nordwesten Englands, ist krank. Sehr krank.

Wenn manche noch an der Ernsthaftigkeit seiner Krankheit zweifeln, liegt das daran, dass er sich als überraschend widerstands- und anpassungsfähig erwiesen hat. Mehr als nur einmal ist er totgesagt worden, doch immer wieder ist er zurückgekommen, schien sogar stärker als zuvor.

Doch zuletzt war alles nur Show. Längst ist er selbst zu seinem größten Gegner geworden. Sein zwanghafter Aktionismus verhindert jegliche Regeneration und alle Versuche, ihn zu kräftigen, führen bloß zur weiteren Schwächung. Auf Medikamente wie Regulierung reagiert er hochallergisch; wird ihm die Droge Wachstum entzogen, kollabiert er umgehend.

Kein Problem, der Alte soll abtreten, er hat eh nur noch genervt? Nein, ein großes Problem. Denn der Kapitalismus ist nicht bloß ein ökonomisches System, das man, dem Leitsatz „Wirtschaft für den Menschen“ folgend, umbauen könnte. Er ist das ganze System, umfasst die ganze Gesellschaft, er hält sie mit seiner Dynamik, seinem Fortschritts- und Wohlstandsversprechen wie auch mit seiner Geld- und Profitlogik zusammen. Er ist die globale Leitkultur, der Gott der Ungläubigen. Er sitzt in jeder Familie, in jeder Kneipe und bei jedem Meeting mit am Tisch.

So haben alle Recht, die der Ansicht sind, sein Ableben werde katastrophale Folgen haben. Ein System lässt sich nicht wechseln wie ein Autoreifen. Doch wer daraus den Schluss zieht, es sei vernünftiger, dem Kranken beizustehen, liegt falsch. Denn je länger man ihn am Leben hält, desto dramatischer sind die Folgen seines Todes. Mit anderen Worten: Wer vor der Katastrophe zurückschreckt, vergrößert sie. Mit jedem Tag wachsen die Umweltprobleme, nehmen die zwischenmenschlichen und -staatlichen Spannungen zu, steigt die Zahl der Erschöpften und Frustrierten, entstehen neue Blasen, wächst das Chaos.

Die Wahrheit ist also, dass wir keine Wahl haben. Längst hätten wir anfangen müssen, einen Ausstiegs- und Katastrophenplan zu entwickeln – und zwar einen europäischen, weil jeder einzelne Staat damit überfordert wäre (und ein globaler Plan zu früh käme). Das ist das Projekt, mit dem man Europa (nicht die EU!) retten und endlich die Europäische Republik erschaffen könnte.

Was wäre das für eine Erleichterung: endlich all das sein zu lassen, was offensichtlicher Blödsinn ist – und endlich das Wenige entschlossen zu tun, was uns wieder eine Perspektive gibt.