Church of Money | Anna Steward

Anna Steward als GeldpilgerinFoto: Natasha Vicars

 

Church of Money – eine Geldpilgerreise

Text: Anna Steward

Die Künstlerin Anna Steward hatte sich 2014 auf eine Geld-Pilgerreise begeben, über die ein Film entstanden ist: Church of Money. Als Geld-Pilgerin hat sie die heiligen Orte des Geldes besucht und versucht, den Glauben an das Geld zu definieren.

Der Glaube daran vereint die Menschheit und ist älter als alle Religionen.

Jeder will es.

Es fasziniert uns, motiviert uns, frustriert uns.

Es bestimmt die soziale Ordnung und ist der große Stabilitätsfaktor unserer Gesellschaft.

Es hält die Welt zusammen. Und trennt sie.

GELD

Als Pilgerin des Geldes war ich acht Wochen auf einer Pilgerreise, eine Dauerperformance, von Zürich nach Frankfurt unterwegs.

Anna Steward auf Geldpilgerreise
Anna Steward auf Geldpilgerreise | Foto: Natasha Vicars

Die Geld-Pilgerroute betrug rund 1000 km und führte vom internationalen Finanzplatz Zürich – wo in geheimen Tresoren Teile des Schweizer Goldes lagern – über München, Stuttgart, Nürnberg nach Frankfurt, zum Sitz der Deutschen Bundesbank und der Europäischen Zentralbank. Sie verlief entlang von Straßen und Orten, die entweder mit der Geschichte des Geldes (alte Handelsstraßen, die Fugger in Augsburg), der materiellen Existenz des Geldes (Cashcenter Ziemann Sicherheit Mannheim, Münze Stuttgart) oder der Virtualität des Geldes (Börse Frankfurt, City of London) zu tun haben. Ich war mit Pilgerwagen und Zelt unterwegs. Einen Teil der Strecke habe ich zu Fuß zurückgelegt, einen anderen Teil mit Transportmitteln, die unmittelbar und mittelbar mit dem Fluss des Geldes zusammenhängen (Geld- & Werttransport, LKW, Frachtschiff etc.). Und natürlich hatte ich auch Credenciales (Pilgerausweise) dabei, die ich – das christliche Pilgergesetz zitierend – in den Geldhäusern abstempeln ließ.

Die Pilgerreise stellt den Abschluss der Trilogie „Ofrendas – moderne Opfer“ [„La Ofrenda“ (span.): „die Opfergabe“] dar. Ein Opfer ist eine Darbringung an eine übergeordnete, metaphysische Macht. Was ist uns wichtig? Wofür bringen wir Opfer? Wem oder was opfern wir? Die Trilogie stellt die Frage nach den Werten der modernen westlichen Gesellschaft: Ofrenda I war ein Dankopfer für den Konsum, Ofrenda II ein Bittopfer für die Ausbeutung meiner Arbeitskraft und Ofrenda III nähert sich dem Allerheiligsten – dem GELD.

Ofrendas I
Ofrendas I | Foto: Martin Schmelzer
Ofrendas II
Ofrendas II
Ofrenda II | Fotos: Martin Schmelzer

Die Kunstfigur der Geld-Pilgerin figuriert sich vor allem durch ihren Glauben ans Geld. Wir alle beglaubigen Geld, tagtäglich. Doch als Geld-Pilgerin gehe ich einen Schritt weiter und sage: Geld ist Gott und Religion. Die Pilgerreise stellt den Versuch dar, diesen Glauben zu definieren und den eigenen Platz in der Gemeinschaft des Geldes zu finden. Die Geld-Pilgerin besucht die heiligen Orte des Geldes und versucht Geld näherzukommen.

Die Motive, die zu einer Pilgerreise bewegen sind vielfältig und auch bei der Geld-Pilgerin vorhanden: Dankbarkeit, Sühne und Hoffnung auf ein Wunder. Eine Pilgerin darf auch zweifeln, Glaubenskrisen sind ein Teil der Geld-Pilgerreise. Mit der Pilgerreise schreibt sie sich ein in die Glaubensgemeinschaft des Geldes.

Die Geld-Pilgerin ist also einerseits eine Suchende – auf der Suche nach Wissen und Erkenntnis – andererseits eine Zeremonienmeisterin, die ein Gedankenspiel initiiert.

Geld ist mehr als seine Funktionen (Zahlungs-, Wertaufbewahrungsmittel und Recheneinheit). Geld ist ein Mysterium: es ist ein Ding, aber auch eine Idee, ist gleichzeitig materiell und virtuell. Geld sitzt nicht nur im Bankkonto, sondern auch im Kopf.

Es ist ein Kommunikationsmedium.

Es ist eine Sichtweise, die wir auf die Welt anwenden.

Es ist ein Mittel der Macht, ebenso wie ein Mittel der Freiheit.

Es ist ein Lebensmittel.

Und es ist ein Tabu.

Es wird glorifiziert und es wird verteufelt. Bei Geld hört der Spaß auf und über Geld macht man keine Witze.

Geld ist ein hochsensibles und emotionales Thema.

Dabei geht die Beschäftigung der meisten Menschen mit „Geld“ aber nicht über „Haben“ und „Nicht-Haben“ hinaus.

Was machen wir mit unserem Geld? Was machen wir für Geld? Und was macht es mit uns?

Die Reise wurde über Facebook und einen Blog kommuniziert. Doch wichtiger waren die spontanen Momente der Begegnung mit Menschen – gerade weil diese Performance sich nicht als solche „outet“, provoziert sie. ■

Anna Steward
Foto: Nürnberg Life
Anna Steward ist Performance-Künstlerin und Schauspielerin. Ihr Schauspiel-Ausbildung absolvierte sie 2000 in London, seit 2015 studiert sie an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg Bildhauerei und Freie Kunst.
In Performances, Installationen und Theaterstücken inszeniert sie Menschen, Objekte und Räume, changierend zwischen poetischen, absurden, abgründigen und komischen Momenten. Ihre Arbeiten verhandeln Fragen nach (performativen) Körpern, der ephemeren Natur von Live Art und der Möglichkeit und Unmöglichkeit von Kontakt. Wiederkehrende Motive sind die Beschäftigung mit dem Kapitalismus und dem Ritual als Form.
Mehr zu ihren Arbeiten: www.anna-steward.com und www.instagram.com/the_anna_steward/
Mehr zum Film: Trailer auf Vimeo und der ganze Film auf Youtube.

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