Der Berg ruft nicht – von Philippe Merz

Der Berg ruft nicht

Text und Fotos von Philippe Merz

Trotz hoher Besiedlungsdichte können wir in Deutschland und Europa noch immer einen Rest an zusammenhängender Natur mit Wäldern, Flüssen, Stränden und Bergen erleben, auch wenn der Großteil davon längst kultiviert und ökonomisch verwertet wird. Wann immer wir diese Landschaften besuchen, sind wir nur selten allein: Allerorten treffen wir Spaziergänger, Jogger, Radfahrer, Badefreudige, Wanderer oder Bergsteiger, die die Natur zu genießen scheinen. Ist also nicht alles in bester Ordnung? In den Städten arbeiten wir in unseren mehr oder weniger sinnstiftenden Jobs, und in der Freizeit erholen wir uns eben in der Natur – oder?

Mir scheint, dass dieses harmonische Bild zwar noch fleißig von Tourismusbehörden und Reiseveranstaltern genährt wird, es in Wahrheit aber weniger zutrifft denn je. Denn wenn wir unser Verhalten in der Natur aufrichtig und selbstkritisch beobachten, offenbart sich, dass wir fast all unsere Bequemlichkeiten und unser Anspruchsdenken, unsere Erwartungen an maximale Erlebnisse bei minimalem Einsatz sowie unsere Sehnsucht nach sozialer Anerkennung längst auf die Natur übertragen haben. Mehr noch: Die Natur scheint diejenige Bühne zu sein, auf der wir diese Bedürfnisse oft am aggressivsten auszuleben versuchen. Besonders markant zeigt sich diese Entwicklung an unserem Umgang mit dem alpinen Raum. Gerade hier können wir daher viel über unser grundsätzliches Verhältnis zur Natur lernen – und zugleich mehr über unsere Sehnsüchte und Widersprüche, als uns lieb sein kann.

Ein gewöhnlicher Tag in den Alpen

Philippe Merz
Philippe Merz ist Mitgründer und Geschäftsführer der Thales-Akademie für Wirtschaft und Philosophie in Freiburg. Er promovierte zur phänomenologischen Ethik Edmund Husserls; heute forscht und lehrt er zur Wirtschaftsphilosophie, Unternehmensverantwortung, Medizinethik und Ethik der Digitalisierung. Seit 25 Jahren begeistert er sich fürs möglichst eigenständige Alpinklettern und Bergsteigen in den letzten Wildnisgebieten Europas und der Erde.

Mit welchen Haltungen und Gewohnheiten nähern wir uns heute den Bergen? Was tun wir, wenn wir nach den zahlreichen Staus endlich in der lang ersehnten alpinen Umgebung angekommen sind? Nun, meistens stellen wir uns gleich in die nächste Warteschlange. Wir warten an der Gondelkasse, bis die Familien und Seniorenpärchen ihre Tickets gelöst haben und wir endlich auch an die Reihe kommen. Wir warten am Drehkreuz, dass wir bis zur Gondel vorgelassen werden, und hoffen dabei inständig, dass uns der achtjährige Knirps nicht nochmal seinen High-End-Carbon-Wanderstock ins Auge sticht, während seine Mutter euphorische Berg-Emojis über ihre Whatsapp-Gruppen verschickt und der Vater versucht, die pubertierende Tochter davon abzuhalten, ihre Bluetooth-Box weiter aufzudrehen. Die Gondel kommt, wir drängen uns in einer dichten Traube hinein und reiben unsere bunten Outdoor-Jacken aneinander, die wiederum von Firmen hergestellt werden, die in den meisten Fällen längst keine heimeligen Mittelständler mehr sind, sondern Assets im Portfolio internationaler Konzerne. Einige Minuten und Partymusik-Salven später rollt die gediegene Großraumgondel, die uns über wuchtige, die Landschaft weithin dominierende Masten in die Höhe geschossen hat, mit einem sanften Ruckeln im Gipfelhaus ein. Im Gipfelhaus? Es ist eher ein weitläufiges Freizeit-, Wellness- und Restaurant-Gelände, das uns hier oben erwartet: vom Star-Architekten erbaut, mit Espresso aus der Siebträgermaschine und Alkohol in allen Varianten, reichhaltigem Menü-Angebot sowie weiteren kostenpflichtigen Erlebnisoptionen, etwa ein in den verbleibenden Permafrost gesägter Eispavillon oder ein Outdoor-Whirlpool. Gleich daneben rollen zwölf E-Biker mit ihren neonfarbenen Full-Suspension-Mountainbikes begeistert auf die Akku-Ladestationen zu: „Ach, diese Freiheit und Einsamkeit der Berge!“

Doch wir haben ja erst den Ausgangspunkt unserer alpinen Erlebniswelt erreicht. Links entlang warten nun bestens ausgebaute Radpisten und Wanderwege zu höher gelegenen Hütten, auf denen kulinarisch ebenfalls auf nichts verzichtet werden muss (auch wenn die Zutaten nun mit regelmäßigen Hubschrauberlieferungen hinaufgeflogen werden), wir gegen Aufpreis eine warme Dusche im kuscheligen Doppelzimmer erhalten und selbstverständlich weiterhin unser E-Bike laden können, damit die Alpenüberquerung nicht allzu schweißtreibend wird. Rechts entlang locken Schilder zu den nächsten Klettersteigen, also jenen alpinen Wegen, die den Berg durch Leitern, Eisenstifte, Stahlseile und Hängebrücken für immer mehr Menschen zu einem scheinbar abenteuerlichen, in jedem Fall aber erklimmbaren Sportgerät gemacht haben. Und geradeaus führt mich meine Smartphone-App zum Einstieg der nächsten alpinen Sportkletterroute, bei der in kurzen Abständen Haken in den Fels gebohrt wurden, die bis zu 2200 Kilogramm halten und an denen ich mich zwischensichern kann, um das Verletzungsrisiko auf ein Minimum zu reduzieren, ohne auf „Plaisir“, wie es in der Szene heißt, verzichten zu müssen. Dafür habe ich umso mehr Zeit, mit meiner Helmkamera den Tiefblick zu filmen, das Video anschließend auf youtube hochzuladen oder meine Handy-Fotos gleich live über Snapchat und Instagram zu teilen.

Früher eine anspruchsvolle Bergwanderung, nun Dank Hängebrücke eine Autobahn für jedermann: Querung am Salbitschijen (2.981m), Urner Alpen

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin kein Kulturpessimist oder Fortschrittsfeind, der technologische Innovationen für Teufelszeug hält oder die Berge wieder sich selbst (oder nur den sogenannten Spitzenalpinisten) überlassen will. Zudem sind die geschilderten Szenen nicht repräsentativ für die Entwicklungen im gesamten Alpenraum. Es gibt behutsamere Ausnahmen, sowohl unter den Menschen als auch unter den Kommunen mit ihren jeweiligen Vorstellungen von verantwortungsvollem Naturerleben. Doch ebenso wahr ist, dass die geschilderten Szenen längst die Regel sind und es überdies noch weit aggressivere Varianten gibt, sich der Natur als Bergtourist zu nähern oder in sie einzugreifen, um mit inszeniertem Spektakel erlebnishungrige und zahlungskräftige Gäste anzulocken. Was also sind die wesentlichen Merkmale dieser Entwicklung? Mir scheint, es sind vor allem drei Charakteristika, die hier unser dominantes Natur- und Selbstverhältnis offenbaren.

Die Berge als Ego-Booster

Dass wir die Berge als Bühne für unsere Eitelkeit und Sehnsucht nach Anerkennung nutzen, ist nicht neu. Neu aber ist in quantitativer Hinsicht das Maß und die Permanenz, mit der wir die Berge zur Arena unseres Anerkennungsbedürfnisses machen. Immer mehr Menschen verbringen einen beeindruckenden Teil ihrer Zeit während und nach einer Bergtour mit der Dokumentation und Kommentierung des Erlebten in Online-Foren, immer auf den nächsten bewundernden Kommentar oder ein gefälliges „Like“ hoffend. Dabei schiebt sich jedoch unser Bedürfnis nach Beachtung und Bewunderung schleichend vor das Erlebnis selbst. So werden die alpinen Hier-und-Jetzt-Momente, wegen denen wir doch eigentlich all die Mühe auf uns genommen hatten, überlagert oder sogar degradiert, indem wir sie zu bloßen Mitteln unserer Anerkennungsbefriedigung machen.

Neu sind zudem in qualitativer Hinsicht die immer elaborierteren Formen der Selbstinszenierung, die in den Bergen stattfinden. Das Spektrum reicht von romantisierenden und ästhetisierenden über idyllisierende und simplifizierende bis hin zu dramatisierenden und heroisierenden Varianten der Bergdarstellung, freilich mit uns als Protagonisten mittendrin. Hier bestätigt sich die These des Soziologen Andreas Reckwitz, dass wir unsere (scheinbare) Individualität im Spätkapitalismus vor allem durch die Inszenierung unseres Freizeitverhaltens auszudrücken versuchen. Dann aber geht es nicht mehr primär um eine Begegnung mit der Natur, die tatsächlich etwas in mir bewegt oder gar verändert, sondern vor allem um die Steigerung meines Selbstwertgefühls.

Die Berge als Konsumobjekte

Indem wir die Berge durch technisch aufwändige und kostspielige Eingriffe wie Zugtrassen, Straßen, Wanderwege, Radwege, Skipisten, Lifte, Gondeln, Materialbahnen, Hängebrücken, Klettersteige, Fixseile, Bohrhaken, Berghotels oder Heli-Flüge zugänglich machen, transformieren wir sie Schritt für Schritt in Konsumobjekte und rauben ihnen (und uns selbst) dabei gerade das, was sie so außergewöhnlich macht: ihre Größe, ihre Widerständigkeit, ihre Unverfügbarkeit. Wir zwingen sie auf unser bescheidenes Niveau herunter, um sie ohne nennenswerten Komfortverlust oder gar echte Gefahr häppchengerecht genießen zu können. Gerade diese Eingriffe drücken eine durch die alltägliche marktwirtschaftliche Praxis tief verwurzelte Anspruchshaltung aus: Die Berge sollen uns maximale Erlebnisse bei minimalem Zeit- und Energieaufwand bieten. Sie sollen unsere Arbeitsroutine im lange vorab geplanten Urlaub durchbrechen, indem sie auf Bestellung einen kontrastreichen Gegenpol zu unserem Städterleben und unseren Bürojobs bilden. Aber bitte nicht zu viel davon. Echte Kälte, Anstrengung, Angst oder „objektive Gefahren“ wie Stein- und Eisschlag, Lawinen, Gletscherspalten oder Wetterumschwünge sind nicht nur unerwünscht, sondern werden tendenziell als Affront gewertet: Wie kommen die Berge dazu, uns das Wochenende zu versauen, wo wir doch gerade so schön auf Erlebnistour waren?

Die Alpen als eingezäunter Freizeitpark: Gruppenbild vor der Mönch-Nordwand (4.107m), Berner Oberland

Für diese Haltung gibt es zahllose Beispiele. Fragen Sie einen beliebigen Bergführer aus den Westalpen, was die meisten Kunden im Sommer anfragen: den Mont-Blanc über den technisch simplen Normalweg natürlich. Zumeist sind es gut situierte Männer aus den Metropolen Europas, der USA oder Japans, die hier einen offenen Punkt auf ihrer To-do-Liste abhaken wollen, selbst wenn sie noch nie Steigeisen unter den Füßen hatten: „Super hier – und nächstes Jahr gehen wir raften!“ Aber wehe, die Tour klappt nicht wie gebucht und bezahlt. Dann wird geflucht, gejammert und auch mal mit dem Anwalt gedroht.

Oder schauen wir nochmals auf die bohrhakendurchsetzten Plaisir-Klettereien, etwa am Südgrat des Salbitschijen im Schweizer Gotthardgebiet. Am Einstieg solcher Routen stehen Kletterer schon im Frühjahr Schlange, sodass man fast einen Ticketautomaten wie im Bürgerbüro aufstellen möchte. Währenddessen verwaisen große alpine Wände wie etwa in den Dolomiten, weil dort nur wenige alte Schlaghaken stecken und man den Fels eigenständig mit mobilen Klemmgeräten absichern, also mehr Risikofreude und Erfahrung mitbringen müsste. Die Bereitschaft, sich mit Besonnenheit und Bescheidenheit auf Geologie, Wildleben und Geschichte einzelner Touren oder gar Regionen und damit auf das Gesamtabenteuer Berg einzulassen, wird dabei zunehmend ersetzt durch eine Fly-in-Fly-out-Mentalität, bei der in kurzer Zeit exponierte Berge „abgehakt“ werden. Das gilt längst nicht mehr nur für die Alpen, sondern auch für die entlegensten Gebiete in den Anden und im Himalaya. Dieses primär instrumentelle Bergverständnis zielt letztlich auf Beherrschung und Kontrolle der Natur und lässt kaum noch Raum für einen „resonanten Beziehungsmodus“, wie es etwa Hartmut Rosa treffend bezeichnet.

Das ist nicht nur deswegen befremdlich, weil sich hierin eine deplatzierte Anspruchshaltung sowie ein Mangel an Demut und Selbsteinschätzung ausdrücken, sondern letztlich auch ein Verlust an Selbstbestimmung. Das mag zunächst paradox anmuten, da wir in den Bergen doch gerade Freiheit und Unabhängigkeit vom Alltag suchen. Doch je mehr wir die Berge zu Konsumobjekten degradieren, weil unsere theoretische Expertise und praktische Einsatzbereitschaft nicht ausreichen, um sie in ihrer ursprünglichen Form zu bewältigen, desto abhängiger werden wir von technischen Aufstiegshilfen, Bergführern, Wetter-Apps, Hüttenverpflegung usw. Das ist in der Tat widersprüchlich, durchaus auch etwas peinlich, und vor allem den Bergen zutiefst unangemessen.

Die Berge als Extremistenarena

Beim Stichwort „extrem“ denken wir zumeist an die wenigen Profikletterer, die als gesponserte Werbeträger im 12. Schwierigkeitsgrad klettern, die Eiger-Nordwand in weniger als 2,5 Stunden hochrennen oder den 1.000 Meter hohen El Capitan im kalifornischen Yosemite Valley ohne Sicherung bewältigen. Diese Leistungen sind tatsächlich insofern extrem, als sie weit jenseits der Leistungsfähigkeit des Durchschnittsbergsteigers liegen. Viel extremer ist allerdings, wie sehr diese wenigen leistungsfixierten Athleten mittlerweile die Aufmerksamkeit der globalen Bergszene auf sich konzentrieren. Besuchen Sie einmal eines der einschlägigen Kletterforen wie www.climbing.com, und Sie werden glauben, es gäbe nur Alex Honnold, Adam Ondra und bestenfalls eine Handvoll anderer Spitzenkletterer auf der Welt. Diese elektrisieren mittlerweile Millionen Zuschauer mit teils wöchentlich publizierten, aufwendig gedrehten Videos über ihre Ausnahmetaten. Und wieder einmal schafft hierbei das Angebot überhaupt erst die Nachfrage. Von dieser aufmerksamkeitsökonomischen und folglich auch finanziellen The-winner-takes-it-all-Mentalität profitieren einige wenige Athleten und Sponsoren überproportional viel; doch sie schadet uns allen, weil sie unsere normative Orientierung ebenfalls subtil und einseitig an den Kriterien Leistung und Anerkennung ausrichtet. Diese Extremität ist in der Bergszene heute zur weithin unhinterfragten Normalität geworden.

Einseitig und insofern extrem sind auch die meisten anderen Zugänge, die wir zu den Bergen entwickelt haben. Wir betrachten sie als Wirtschaftsgüter mit erheblichem ökonomischem Potenzial (Staudämme für Wasserkraft, Investitionen in Luxusappartements), wir idealisieren sie als Oasen der kontemplativen Selbstfindung und außeralltäglichen Achtsamkeit (das Wochenende im Schweigekloster oder alpinen Yoga-Hotel) oder wir mystifizieren und personifizieren sie als Wesen, die sich gegen die Eingriffe des Menschen aufbäumen (der spontane Lawinenabgang als „Rache der Berge“). All diese Deutungen demonstrieren weniger unsere Souveränität und Ausgewogenheit im Umgang mit der Natur als vielmehr unsere verunsicherten, verhärteten oder auch überempfindsamen Haltungen. Diese sind jedoch kaum geeignet, den Klimawandel und die zahlreichen ökologischen Krisen zu bewältigen, die uns besonders in den Bergen schon heute begegnen. Was wir hierfür – ebenso wie für eine gelingende persönliche Naturbeziehung – bräuchten, ist eine sowohl rezeptiv-sensible als auch aktiv-respektvolle Anverwandlung der Natur. Einfacher gesagt: Wir brauchen eine neue Balance.

Hakenfreies Klettern an den Petites Jorasses (3.658m), Mont-Blanc-Gebiet

Wie könnte eine neue Balance gelingen?

Zunächst, so scheint mir, indem wir unser Grundverständnis der Berge erneuern und schärfen: Die Berge „sind“ nicht irgendetwas in einem ontologisch eindeutigen Sinn. Ein solches Verständnis wäre erkenntnistheoretisch naiv. Vielmehr machen wir sie zu dem, was sie sind, indem wir sie in bestimmter Weise deuten und fortan behandeln.

Das bedeutet jedoch nicht, dass unser Zugang zu den Bergen beliebig und unserer individuellen Willkür überlassen ist, weder erkenntnistheoretisch noch ethisch. Aufgrund ihrer Größe, Steilheit, Unberechenbarkeit, Widerständigkeit, Gefahr und Schönheit wohnt ihnen durchaus ein Aufforderungscharakter inne. Sie „rufen“ vielleicht nicht lauthals, wie es der Titel des alten Films über die Erstbesteigung des Matterhorns suggeriert. Aber es wäre wiederum ein Ausdruck für ein verhärtetes Naturverhältnis, wenn wir sie nur als stumme Objekte betrachten, die technisch zu beherrschen und ökonomisch zu verwerten sind. Mindestens ebenso sehr fordern die Berge uns auf, sie als starke Landschaften wahrzunehmen, in deren Mitte wir klein und verletzlich sind. Gerade deshalb können wir uns hier auf intensive Weise lebendig fühlen und in eine aktive Wechselbeziehung mit der Natur treten, bei der wir uns als echter Teil dieser Landschaft mit ihren Formationen, Tieren und Pflanzen erleben.

Daraus ergibt sich keineswegs zwangsläufig, welche Eingriffe in die Natur noch rechtfertigbar sind und welche dagegen ihre Integrität verletzen. Hierfür kann und muss es einen Korridor der individuellen, lokalen und nationalen Interpretationsmöglichkeiten geben. Jeder Korridor hat allerdings per definitionem seine Grenzen. Gerade diese müssen wir nicht wieder gleich hitzig anhand großer alpiner Bauprojekte oder Verwertungskonzepte diskutieren. Vielleicht ist es naheliegender und ehrlicher, wenn wir uns zunächst selbstkritisch fragen, welche Erfahrungen wir dort draußen eigentlich suchen, welche uns wirklich guttun – und welche wiederum mit den Interessen heute und zukünftig lebender Menschen vereinbar sind. Vielleicht kommen wir dabei zu der Einsicht, dass es gegenüber der Natur und unseren Mitmenschen fairer ist, den Bergen unseren Fähigkeiten entsprechend zu begegnen und die Gondeln, Panoramahotels und Rundum-Sorglos-Angebote zu ignorieren oder auf ein Minimum zu reduzieren. Dann wird das nächste alpine Ziel vielleicht weniger aufsehenerregend, aber dafür hinterlassen wir kaum bis gar keine Spuren, können es aus eigener Kraft erreichen und es daher weitaus intensiver erleben. Berge „by fair means“ heißt dieser Ansatz, den man auch als alpine Postwachstumsstrategie bezeichnen könnte. Bislang wird er nur von wenigen Bergsteigern praktiziert, obwohl er eine viel breitere Rezeption verdient hätte – sowohl um der Berge als auch um unser eigenen Naturerlebnisse willen.

Die gemeinnützige Thales-Akademie mit Sitz in Freiburg bietet heutigen und zukünftigen Verantwortungsträgern die Möglichkeit, sich offen und praxisnah mit den Grundfragen der Wirtschaftsphilosophie, Unternehmensethik, Medizinethik und Ethik der Digitalisierung zu befassen, um eine eigenständige Haltung zu diesen immer wichtigeren Herausforderungen zu entwickeln. Hierfür bietet die Thales-Akademie Seminare für Unternehmen und Hochschulen sowie – gemeinsam mit der Universität Freiburg und der Hochschule Furtwangen – zwei berufsbegleitende Weiterbildungen zur Wirtschaftsethik und Medizinethik. Beide schließen mit einem international anerkannten Certificate of Advanced Studies (CAS) ab.

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