EDITORIAL der Ausgabe 1/2019

EDITORIAL der neuen agora42 1/2019 Gesellschaftlicher Wandel

Alles ändert sich – und doch hält man am Vergangenen fest. Nichts ist daher dringlicher als offene Gespräche darüber, wie der gesellschaftliche Wandel gestaltet werden soll.

Hopp, hopp, hopp, drängelt schon der Nächste: weitergehen! Schau nicht zurück, blicke nach vorn! Nur was, wenn da vorn das Ende einer Sackgasse zu sehen ist? Und von hinten die anderen drängeln? Die Krise ist das Gefühl, dass es nicht mehr vor und nicht zurück geht –hektisch wird versucht, wenigstens den Status quo zu erhalten, es sich im Hier und Jetzt so gut wie möglich einzurichten. Dabei steigt das Durchschnittsalter der Topmanager und der Autokäufer, während die Nachzucht funktionierender Wirtschaftsvorstände und pflichtbewusster Konsumenten ins Stocken gerät. Die Menschen, die ihren kostspieligen Status quo überhaupt noch halten können, werden immer weniger – und älter. Verkrampft klammern sie sich an die schmale Jetzt-Scholle, die im offenen Meer der Möglichkeiten treibt, und hoffen, dass sie nicht allzu schnell schmilzt. Für die nachfolgenden Generationen ist jedoch klar: Dieses Jetzt stirbt. Bald wird alles anders sein.

Diese Ausgabe versammelt Gespräche, die wir in den letzten neun Jahren mit unterschiedlichen Persönlichkeiten geführt haben. Mit vielen Fragen im Gepäck sind wir seit Beginn der Krisenjahre auf Spurensuche, um zu verstehen, warum der Glaube an Fortschritt, Wohlstand und Demokratie zerbrach. Der Blick zurück ist unweigerlich ein Blick nach vorne: Die ausgewählten Gespräche enthalten die Essenz dessen, was eine Gesellschaft im Umbruch umtreibt und zeigen die vielen Facetten des gesellschaftlichen Wandels. Die Analysen unserer Interviewpartner treffen bis heute unvermindert zu, ihre Vorschläge sind aktueller denn je.

Eins ist sicher: Kaum jemand glaubt noch, dass es in Zukunft so weitergehen wird – genau das ist bereits der Umbruch. Der Nebel reißt auf, die Zukunft öffnet sich und einige beginnen bereits zaghaft, Neues zu denken. Wirtschaftswachstum? Unverantwortlich! Folgenlose Bedürfnisbefriedigung? Undenkbar! Der Markt wird es schon regeln? Naiv! Wir tasten uns ins Unbekannte vor, ohne uns dabei auf bisherige Gewissheiten stützen zu können. Das macht Angst, aber befreit auch von erstarrten Bildern, Sinnlosigkeit und Getriebenheit.

Ihre Wolfram Bernhardt, Tanja Will, Frank Augustin

Wolfram Bernhardt Tanja Will Frank Augustin