Seit Aesops Fabeln gelten Ameisen als vorbildlich fleißige Tiere. Und aus dem Ameisenhaufen zieht auch ein Bibelspruch eine unmissverständliche Moral für Nichtstuer: „Gehe hin zur Ameise, du Fauler; siehe ihre Weise an und lerne!“ Dieser Lob-und-Tadel-Funktion dient die Ameise bis in die Gegenwart als Musterbeispiel. Erst vor ein paar Jahren, in der europäischen Schuldendebatte, hat Alexis Tsipras vom griechischen Bündnis Syriza der aesopschen Fabel einen Schwenk ins Politische gegeben, als er in einer Rede vom „Märchen über die arbeitsamen und strebsamen Ameisen“ sprach, „die den ganzen Sommer über arbeiten, während die Grillen schlafen. So hat man uns gesagt, dass Europa im Norden von Ameisen und im Süden von Grillen bewohnt wird.“ Die faule Ameise – Versuch über ein Anti-Stereotyp | von Eduard Kaeser weiterlesen
Gerade heute lese ich, dass Gold als Anlage ein Comeback feiert, die Aussichten rosig sind. Warum das nun? Es gibt einen Korridor, in dem sich der Goldpreis seit 2013 hin- und herbewegt, zwischen rund 1.050 Dollar und 1.350 Dollar pro Feinunze (das sind ungefähr 31 Gramm). Und nun rüttelt das Gold an den Gitterstäben ‑ es sieht danach aus, als würde es nach oben ausbrechen ‑ ab dem magischen Wert von 1.355 Dollar gilt: „the sky is the limit“.
Zeit, sich auch einmal in „Finanz & Eleganz“ mit dem Edelmetall zu beschäftigen. Denn eine gewisse ästhetische Wertigkeit kann man ihm wohl kaum absprechen. Als Schmuckmaterial ist es allgegenwärtig, es hängt in Kettenform nicht nur um zahlreiche indische oder chinesische, sondern auch deutsche Hälse und die große Mehrheit der Eheringe ist aus ihm gefertigt. Zwar holen Platin, Palladium und Titan auf, sogar Edelstahl wird beliebter, aber dennoch hält sich Gold unangefochten an der Spitze des Paarschmucks. Schönheit für die Ewigkeit ‑ bitte nur mit Gold. Warum ist das so? Was steckt hinter dem Soliditätsversprechen des chemischen Elements Aurum mit der Ordnungszahl 79? Warum zeigt sich z.B. bei Eheringen nicht die ganze Materialvielfalt unserer modernen Welt ‑ von fluoreszierendem Hartplastik über parfümierte Presspappe bis zum polierten Feinbeton? GOLD! oder Bemerkungen über fahrbare Sümpfe – von Bernd Villhauer weiterlesen
Die Kamera wackelt und zoomt näher an eine erschöpfte junge Frau im Wald. Eine Stimme bittet sie: „Magst du erzählen, was gerade passiert ist?“ Winter, so steht ihr Name unter dem Videoclip, ist offensichtlich gerade von Polizisten aus ihrem Baumhaus im Hambacher Forst geräumt worden. In voller Kampfmontur, die Frau an Körpergröße weit überragend, stehen zwei Polizisten neben ihr. Sehr bewegt und mit großer Bestimmtheit erklärt sie in die Kamera, warum sie sich gegen die Rodung des Waldes einsetzt:
„Und sie denken wahrscheinlich, sie hätten gewonnen, aber sie können nicht gewinnen, weil sie den Wald genauso brauchen […]. Sie werden nie verstehen, wie es ist, mit Menschen zusammenzuleben, denen es scheißegal ist […], was du für’n Schulabschluss hast, dass wir hier versuchen hierarchiefrei zu leben, uns gegenseitig zu respektieren ohne Geld […]. Dass wir jeden Morgen aufgewacht sind und wissen, dass wir am richtigen Ort sind […] und dass das die schönste Zeit meines Lebens war hier und ich so viel gelernt hab’, alles das, was ich draußen in der Gesellschaft nie hätte lernen können; dass ich die ganze Scheiße, die mir die Gesellschaft eingetrichtert hat, erst wieder vergessen muss – mich mit anderen Menschen zu vergleichen oder zu konkurrieren, was angeblich wichtig ist, wie wir aussehen […].“ (https://youtu.be/uYfW2LogrAs) „We are nature defending itself“ – Auf dem Weg zu einem neuen Naturverhältnis weiterlesen
Es gibt Worte, die aus einer fernen Zeit ins Heute sprechen. Muße ist so ein Wort, ein kurzes mit einer längeren Ausdehnung. Was erschließt sich, wenn man über seinen Klang und seine Bedeutungen nachdenkt – oder gar über sein Verschwinden? “Verschwindet Muße, stirbt mit dem Wort eine ganze Welt”, meint der Philosoph Holger Zaborowski und hat mit Gleichgesinnten die Gegenpole Absichtslosigkeit und Arbeit in der neuen Kategorie Arbeit 5.0 zusammengeführt.
Nachgefragt bei Holger Zaborowski
Lieber Professor Zaborowski, 2018 stand der Kultursommer Rheinland-Pfalz unter dem Motto “Industrie-Kultur”. Zu diesem Anlass haben Sie mit Ihrem Kollegen Martin W. Ramb den Sammelband Arbeit 5.0 oder: Warum ohne Muße alles nichts ist herausgegeben. Warum dieser Anlass?
Holger Zaborowski ist Professor für Geschichte der Philosophie und philosophische Ethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar und seit 2017 Rektor der Hochschule. Er schreibt unter anderem über Fragen des Mensch(lich)seins und hat anlässlich der Europawahl in dem Sammelband Heimat Europa? darüber nachgedacht, ob und wie Europa Heimat sein kann und soll. Foto: Matthias Cameran
Das Motto „Industrie-Kultur“ beinhaltet eine Spannung. Industrie kommt vom lateinischen “industria”, dem Wort für Arbeit, Betriebsamkeit oder Fleiß. Zu einer Kultur gehört wiederum nicht nur die Arbeit, das herstellende Handeln, das immer für etwas gut sein muss, sondern auch die Muße als mächtiger Gegenpol, die ihren Zweck ausschließlich in sich selbst findet. Das wird heute oft vergessen. Daher wollten wir daran erinnern, dass man Arbeit und Muße wieder zusammen denken muss.
Arbeit ist nur menschlich, wenn sie in Mußezeiten eingebunden ist. Weil man die digitale Arbeitswelt als Industrie 4.0 oder Arbeit 4.0 bezeichnet, wollten wir mit “Arbeit 5.0” darüber hinausgehen und die Vision einer neuen Integration von Arbeit und Muße entwickeln. Hierbei bedeuten Mußestunden nicht einfach Nichtstun; sie können sehr aktiv sein – und anstrengend. Denken Sie an jemanden, der musiziert, kocht, liest, seinen Garten pflegt oder wandert. Man muss Arbeit und Muße wieder zusammen denken weiterlesen
seit fast einer Woche hatte ich mir keine künstlichen Erinnerungen mehr eingespielt. Und ich musste feststellen: Mein realer Alltag war doch ziemlich eintönig. Um also mal wieder etwas zu erleben, hatte ich eine Elefanten-Tour in einem Naturschutzgebiet im Norden der thailändischen Provinz gebucht.
Heute morgen habe ich dann die frühe Hyperloop-Verbindung nach Chiang Mai genommen. Eigentlich wollte ich während der zweistündigen Fahrt ein wenig Schlaf nachholen, aber ich wurde derart mit Werbung beschallt, dass ich kein Auge zubekam. Hier ein Angebot für eine regenerative Koronarbehandlung, dort ein Angebot für ein bionisches Auge mit Zehnfach-Zoom und Makro, dazu ein Hinweis auf eine Schweinefarm, in der schon eine neue, auf mich abgestimmte Bauchspeicheldrüse wuchs. So ging das in einer Tour.
Am Zielbahnhof angekommen, ließ ich mich von einem autonomen Pod ins Naturschutzgebiet fahren. Es ging vorbei an gigantischen Indoor-Farmen von Pfizer, in denen Pharmapflanzen angebaut wurden. Vermutlich Tabakpflanzen, in denen Impfstoffe, Hormone oder Krebsantikörper heranwuchsen. Dann passierten wir ausgedehnte Grasplantagen von Rio Tinto. Dort wurden natürlich keine gewöhnlichen Gräser angebaut, sondern spezielle Hyperakkumulatoren, die Platin, Palladium oder Germanium aus dem Boden zogen. Gedankenspiel – 08.04.2051 weiterlesen
Unsere gesamte Erde ist bis auf die Meere, Flüsse und Bergregionen von einer feinporigen, belebten Schicht überzogen – den Böden. Die Qualität der Böden ist jedoch alarmierend. Nur noch 60 Ernten wird die Menschheit einfahren können, bevor es zu einem weltweiten Boden-Burn-out kommt – das war 2015 die schockierende Analyse der Welternährungsorganisation. Da etwa 95 Prozent unserer Nahrungsmittel direkt oder indirekt aus dem Boden kommen, hängt das Überleben der Menschheit von den Böden ab. Und die Entstehung neuer Böden ist denkbar langsam: Es braucht etwa 2.000 Jahre bis zehn Zentimeter Boden entstehen. Boden weiterlesen
Herr Kohl, allerorten macht sich Orientierungslosigkeit breit: Wohin mit der EU? Haben wir den Glauben an Leitbilder verloren, die früher Orientierung boten?
Walter Kohl ist der älteste Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers, sowie Redner, Autor und Coach.
Das letzte Vierteljahrhundert, also aus deutscher Sicht die Zeit nach der Wiedervereinigung und dem Ende des kalten Krieges, hat eine solche Vielzahl von Veränderungen gebracht, dass es uns heute oft schwerfällt mit dieser neuen Komplexität und den damit verbundenen Herausforderungen umzugehen. Beispielhaft seien hier genannt: die Globalisierung, die digitale Revolution (die sich immer mehr beschleunigt und immer mehr Branchen und Lebensfelder erreicht), ein multipolares Machtsystem aber auch Finanzmärkte, die sich weitgehend von der Realwirtschaft abgekoppelt haben und scheinbar haftungsfrei agieren können. Daher geht es meiner Meinung nach nicht so sehr um abstrakte Leitbilder oder gestrige Orientierungen, sondern vielmehr um konkrete Herausforderungen, die (häufig in Vernetzung zueinander) gelöst werden müssen. Es geht um Realpolitik, um Agieren, um Gestalten.
Wir werden ein starkes, geeintes Europa brauchen – oder wir laufen Gefahr uns in neuen Kriegen zu verzetteln. Wir brauchen eine EU, die wichtige Rahmenbedingungen schafft und weiterentwickelt, z. B. eine europäische Armee, eine europäische Polizei gegen Drogenhandel, Geldwäsche, organisierte Kriminalität etc., gemeinsame europäische Umweltstandards, eine einheitliche Flugüberwachung, etc. nur um einige Beispiel zu nennen. Was wir nicht brauchen, ist ein bürokratischer Wasserkopf, der sich in tausende, lokale Projekte einmischt, der Subventionitis betreibt und der zu einem Bazar des gegenseitigen Schacherns verkommt.
Europa braucht ein Ziel, das gerade junge Menschen in seinen Bann zieht. Neben der Friedens- und Wohlstandssicherung wünsche ich mir, dass Europa auch emotional als ein Zuhause anerkannt wird, dass Menschen sagen können: Ich bin Franzose, Deutscher, Belgier, Slowake oder Pole und ich lebe in Europa. Europa braucht ein Ziel – Interview mit Walter Kohl weiterlesen
„The intelligences inherent in nature are non-linear and not a product of human thought.“
Im Jahr 2009 publizierten die Engländer Dougald Hine und Paul Kingsnorth ein Manifest mit dem Titel Uncivilisation – The Dark Mountain Manifesto. Mit diesem Manifest geht es ihnen um nichts Geringeres, als jene Geschichten zu hinterfragen, die unserer Kultur zugrunde liegen: den Mythos des ewigen Fortschritts, den Mythos, dass der Mensch im Mittelpunkt der weltlichen Ordnung stehe und den Mythos, dass Mensch und „Natur“ getrennt voneinander seien. Die Geschichten, die wir uns erzählen und die Bilder, die wir von uns selbst haben, formen unser Leben und geben ihm seine Richtung, davon sind die Projektmacher überzeugt. Aus diesen Gedanken entstand das Dark Mountain Project, eine Gruppe an Künstlern und Freidenkern, die Bücher publiziert und Veranstaltungen organisiert, um auf künstlerisch-philosophische Weise neue Denkmuster aufzuzeigen. The Dark Mountain Project weiterlesen
Im Jahr 2014 führten wir ein Interview mit Richard David Precht für unsere Ausgabe zum Thema Europa. Vor dem Hintergrund der anstehenden Wahl zum Europäischen Parlament am kommenden Sonntag, möchten wir Ihnen gerne Auszüge aus diesem Interview präsentieren.
Herr Precht, von geografischen Definitionen abgesehen: Was bedeutet Ihnen Europa?
Ich habe kein starkes emotionales Verhältnis zu Europa. Ich halte es auch für zwecklos, Europa über einen besonderen Wesenszug definieren zu wollen. Ohne Zweifel wurde Europa durch die Aufklärung geprägt. Aber dieses Erbe ist für mich kein Grund, in Begeisterung auszubrechen, denn es ist genauso wunderbar wie fürchterlich. Europa hat so viel Unheil über sich selbst und die Welt gebracht, dass ich jeder Form von romantischer Verklärung skeptisch gegenüberstehe. Für mich ist Europa, ein geeintes Europa, ein sehr nützliches Werkzeug, um gewaltige Zukunftsprobleme zu lösen. Das ist mein Verhältnis zu Europa. Europa … verzweifelt gesucht – Interview mit Richard David Precht weiterlesen
Während der Arbeit an diesem kurzen Artikel haben uns sechs Arten für immer verlassen. 2018 sind sowohl der Dunkelkopf-Blattspäher als auch der Weißwangen-Kleidervogel ausgestorben. An jedem einzelnen Tag verschwinden so 150 Arten – auf das Jahr gesehen sind das mehr als 58.000 Spezies. Zusätzlich ist mehr als ein Viertel der bekannten Arten vom Aussterben bedroht. Besonders dramatisch ist das Insektensterben: Mehr als 40 Prozent der Arten sind weltweit bedroht und die Biomasse der Insekten sinkt jedes Jahr um 2,5 Prozent. Deshalb prognostizierten Forscherinnen und Forscher Anfang 2019, dass es in 100 Jahren keine Insekten mehr geben wird, sollte dieser Trend anhalten. In Deutschland ist die Biomasse von Fluginsekten in den letzten 30 Jahren laut einer Studie sogar um drei Viertel zurückgegangen. Biodiversität und Artensterben – die Natur und ihre Veränderung weiterlesen
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