„Der Klimawandel bringt den Kapitalismus an seine Grenzen.“ – Interview mit Hannah Helmke

„Der Klimawandel bringt den Kapitalismus an seine Grenzen.“

Interview mit Hannah Helmke

Das Team von right. entwickelt das sogenannte X-Degree Compatibility („XDC“) Modell, welches für ein Unternehmen berechnet, um wieviel °C sich die Erde erwärmen würde, wenn jedes Unternehmen so emissionsintensiv wirtschaften würde, wie es selbst. Am Beispiel von Apple: Würden alle Unternehmen so emissionsintensiv wirtschaften wie der Tech-Riese aus dem Silicon Valley, würde sich die Erde nach den Berechnungen von right.open bis 2050 um 1,49°C erwärmen. Die DAX 30 Unternehmen schneiden hier mit durchschnittlich 4,94°C deutlich schlechter ab. Durch diese Berechnung wird der Beitrag einzelner Unternehmen / Fonds zur Erderwärmung erstmals wirklich sichtbar und vergleichbar. right.open bietet denen, die von der Notwendigkeit einer systemweiten Veränderung überzeugt sind, eine übergreifende Sprache: Ein Modell zur Bestimmung des Beitrags einer einzelnen Wirtschaftseinheit zum Klimawandel. right.open ist der erste Schritt, um ein solches Modell – das XDC Modell – für alle als open source verfügbar zu machen. Wir sprachen mit der Gründerin und Geschäftsführerin Hannah Helmke über ihre Idee.

Frau Helmke, das Team von right. entwickelt das sogenannte X-Degree Compatibility („XDC“) Modell. Was kann damit berechnet werden?

Das XDC Modell berechnet den Beitrag eines Unternehmens zum Klimawandel. Um wieviel °C würde sich die Erde erwärmen, wenn jedes Unternehmen so emissionsintensiv wirtschaften würde, wie die betrachtete? Auf dieser Basis kann es berechnen, wie viele Emissionen das Unternehmen reduzieren müsste, um sich konform mit dem Pariser Klimavertrag zu entwickeln. Und zu guter Letzt kann das XDC Modell berechnen, in welcher Weise ein konkretes Projekt, wie z.B. das Ersetzen des Fuhrparks durch eine E-Flotte, mit dem Pariser Klimavertrag kompatibel ist.

 

Für wen ist dieses Berechnungsmodell interessant? Welche Anwendungsbereiche gibt es?

Typische Kunden sind Unternehmen sowie Finanzmarktakteure, die die Notwendigkeit des Übergangs in eine <2°C-Welt erkannt haben. Ein typischer Unternehmenskunde könnte beispielsweise das CSR-Richtlinienumsetzungsgesetz mit der Berichterstattung von wissenschaftsbasierten Klimametriken erfüllen wollen. Ein Vermögensverwalter als Kunde könnte beispielsweise seinen Kunden einen Fonds anbieten, der nach strengem Standard in klimafreundliche Unternehmen investiert. Ziel ist es, eine Portfolio-XDC von <2°C zu erreichen. Eine Bank als Kunde könnte typischerweise die Risikokategorie Klima mit dem XDC Modell in bestehende Kreditausfallberechnungsinstrumente integrieren.

 

Was kostet es ein Unternehmen, seinen Beitrag zur Erderwärmung mit dem XDC Modell zu berechnen?

Die Berechnung der Standard XDC – also der Basisversion mit Standardannahmen – ist kostenfrei über unsere XDC webApplication (www.xdegreecompatible.de) möglich. Möchte das Unternehmen die unternehmensweite Standard XDC in Scope 1-3 Kategorien heruntergebrochen haben und sich mit dem Sektor vergleichen, ist dies ab 1.400 Euro möglich. Unsere sogenannte Szenariobasierte XDC mit individuell getroffenen Annahmen erlaubt die Ermittlung der XDC unter verschiedenen Szenarien. Klimarelevante Aspekte können so für jedes Unternehmen analysiert werden.

 

Nachhaltigkeit ist zwar ein großes Thema, aber für Unternehmen zählt im Zweifel die Rendite. Ist Nachhaltigkeit im Kapitalismus überhaupt möglich?

Wenn klimarelevante Risiken die Rendite absehbar reduzieren, dann drängt sich die Frage auf: Ist mein Geschäftsmodell abhängig von Emissionen, die in einer <2°C-Welt nicht entstehen dürfen? Falls ja, dann sprechen wir über spannende Transformationen des wirtschaftlichen Systems, welche z.B. in einem neuen Verständnis von Wertschöpfung bestehen. Experten, wie Paul Mason sprechen ganz deutlich davon, dass der Klimawandel den Kapitalismus an seine Grenzen bringt und dass auf das Allheilmittel namens Technologie diesmal nicht unbedingt Verlass ist. Diesen Fragestellungen gehen wir u.a. in unserem Projekt right.open nach – einem Projekt, in dem ein multidisziplinärer Austausch über zukunftsweisende Anwendungsfälle des XDC Modells in einer digital vernetzten Welt und deren Erarbeitung in wissenschaftlichen Arbeiten stattfindet.

 

Mehr zu diesem Projekt unter: www.right-basedonscience.de

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