WERT/E – Editorial zu Ausgabe 2/2023 | Frank Augustin

Cover-Illustration zu agora42 2/2023 WERT/EIllustration: DMBO – Studio für Gestaltung

 

WERT/E

Editorial zu Ausgabe 2/2023

Wie schnell sich der Wert von sogenannten Wertpapieren in Luft auflösen kann, hat sich in der Finanzkrise 2007 ff. eindrücklich gezeigt. Auch des Geldes Wert verringert sich ruckzuck bis hin zur völligen Wertlosigkeit, wenn ihm niemand mehr vertraut.

Halb so schlimm, mögen manche denken, denn Geld ist ja kein Grundnahrungsmittel. Allerdings ist deren – unbestreitbar wertvolle – Produktion auf Gedeih und Verderb an ein, gelinde gesagt, labiles Finanzsystem gekoppelt; bricht es zusammen und fallen Banken als Kreditgeber aus, gilt das Gleiche bald auch für Ernten (bzw. deren Verarbeitung und Lieferung). Denn die Pleitewelle erfasst dann auch: landwirtschaftliche Betriebe, Hersteller von Landmaschinen, von Bewässerungssystemen, von Dünge- oder Schädlingsbekämpfungsmitteln, Transportunternehmen aller Art, Ersatzteillieferanten, Brücken- und Straßenbauunternehmen etc. WERT/E – Editorial zu Ausgabe 2/2023 | Frank Augustin weiterlesen

Die Ambivalenz der digitalen Revolution | Heiner Heiland

Rider bei einer LieferungFoto: Henrique Hanemann | unsplash

 

Die Ambivalenz der digitalen Revolution

 Text: Heiner Heiland | veröffentlicht am 23. März 2023

Digitalisierung ist eine technologische Revolution, deren gesellschaftliche Auswirkungen weitreichend und nachhaltig sind. Wohin diese Entwicklung führt, ist dabei nicht vorbestimmt oder gar der Technologie inhärent. Digitalisierung birgt zugleich Potenziale für verstärkte Kontrolle wie für größere Autonomie. Dies zeigt sich besonders in neuen, von Algorithmen gesteuerten Arbeitsformen, in denen auch um die Entwicklungsrichtung der Digitalisierung gerungen wird. Die Ambivalenz der digitalen Revolution | Heiner Heiland weiterlesen

Auf den Umwegen entsteht das Leben | Interview mit Hartmut Rosa

BeschleunigungFoto: Chris Dickens | unsplash

 

Auf den Umwegen entsteht das Leben

Interview mit Hartmut Rosa (Auszug)

„Jede*r ist seines Glückes Schmied“, bekommt man einerseits zu hören, wenn es um die Frage nach dem guten Leben geht. Andererseits quellen die Buchladenregale über von Ratgebern für ein erfolgreiches und gelingendes Leben. Warum befasst sich eine kritische Theorie der Gesellschaft mit dem guten Leben?

Ob Kritische Theorie generell über das gute Leben nachdenken muss, da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Es gibt Vertreter*innen der Kritischen Theorie, die sagen: „Nein, das soll sie gerade nicht. Kritische Theorie sollte auf das Falsche hinweisen und mehr nicht“ – in Anlehnung an den Adorno-Satz „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“. Mir wurde vorgeworfen, ich würde die Kritische Theorie um ihr Wichtigstes bringen, nämlich die reine Negativität. Von einer solchen Position versuche ich mich abzusetzen, denn sonst wird Kritik letzten Endes zum wirkungslosen Nörgeln – „Alles ist schlecht und müsste ganz anders sein und der Kapitalismus ist sowieso ganz böse“. Solche Kritik erzeugt überhaupt keine transformativen Energien. Auf den Umwegen entsteht das Leben | Interview mit Hartmut Rosa weiterlesen

(Wir) Zombies | Georg Seeßlen

Zombie mit MaskeIllustration: DMBO – Studio für Gestaltung

 

(Wir) Zombies

Text: Georg Seeßlen

Zombie: Mythos und Magie

Der Begriff Zombie entstammt der zentralafrikanischen Bantu-Sprache Kimbundu und leitet sich aus dem Wort „nzùmbe“ ab, das allgemein einen „Totengeist“ bezeichnet, so wie es ihn in jeder Mythologie der Welt gibt: Die klare Grenze zwischen lebend und tot, eine der „primären Unterscheidungen“ bei der Entwicklung von Sprache und Zivilisation, wird durch Wesen infrage gestellt, die nicht wirklich leben und nicht wirklich sterben können. Es gibt eine Schuld für diesen tragischen und gefährlichen Umstand, die bei den Untoten selbst, aber auch bei den Anverwandten (die ihn nicht in der vorgeschriebenen Weise bestatteten und betrauerten) oder schließlich bei finsteren Mächten oder Kulten liegen kann, die sich in die Ur-Ordnung von Leben und Tod einmischen. Wie alle Gespenster, Geister, Wiedergänger, Halbwesen, Untoten und Dämonen ist auch ein „nzùmbe“ teils bedrohlich und teils mitleiderregend. (Wir) Zombies | Georg Seeßlen weiterlesen

Tanzende Verhältnisse – Die Weltethos-Idee und die Suche nach dem Kapital der Veränderung | Bernd Villhauer

Cheshire CatFoto: Tim Hüfner | unsplash

 

Tanzende Verhältnisse

Die Weltethos-Idee und die Suche nach dem Kapital der Veränderung

Text: Bernd Villhauer

Bei der Suche nach Expert*innen für Kapital werden wohl nur wenige auf den britischen Schriftsteller und Mathematiker Lewis Carroll und den schweizerischen Theologen Hans Küng kommen. Beide können aber hilfreich sein, um eine bestimmte Form von Kapital zu beschreiben: Jene Kraft, die es den Menschen erlaubt, ihre Verhältnisse zu revolutionieren. Tanzende Verhältnisse – Die Weltethos-Idee und die Suche nach dem Kapital der Veränderung | Bernd Villhauer weiterlesen

Das Leben – unausweichlich gemeinsam | Interview mit Rahel Jaeggi

Schriftzug: FreedomFoto: Gayatri Malhotra | unsplash

 

Das Leben – unausweichlich gemeinsam

Interview mit Rahel Jaeggi

Zur Beschreibung des Sozialen verwenden Sie den Begriff der Lebensformen. Was zeichnet Lebensformen aus?

Mit „Lebensformen“ beschreibe ich, ganz ähnlich wie im alltäglichen Sprachgebrauch, eine Reihe sehr unterschiedlicher Formen menschlichen Zusammenlebens. So ist beispielsweise die bürgerliche Kleinfamilie eine Lebensform. Oder es gibt die Lebensform des Städtischen im Gegensatz zu jener der Provinz. Der Lebensformbegriff bezieht sich also – im Gegensatz beispielsweise zum Begriff der Lebensführung – weniger auf individuelle denn auf kollektive Phänomene, also auf sozial geteilte Praktiken. Das Leben – unausweichlich gemeinsam | Interview mit Rahel Jaeggi weiterlesen

Mehr soziale Experimente wagen? | Robert Ziegelmann

Baustellen-SchildFoto: unsplash

 

Mehr soziale Experimente wagen?

Text: Robert Ziegelmann

In der noch jungen Bundesrepublik forderte die Union „Keine Experimente!“ Angesichts der drohenden Klimakatastrophe und gesellschaftlicher Verwerfungen scheint nunmehr auch das konservative Lager die Notwendigkeit von Veränderung einzusehen. Was aber sind soziale Experimente und wie können wir sie angehen? Mehr soziale Experimente wagen? | Robert Ziegelmann weiterlesen

Zu spät, Kaninchen! | Friederike Gräff

UhrFoto: Eder Pozo Pérez | unsplash

 

Zu spät, Kaninchen!

Text: Friederike Gräff

Keine Zeit zu haben, ist ein Status-Symbol wie ein E-Lastenrad oder ein Haus auf dem Land. Wer Zeit hat, ist suspekt, nicht nachgefragt auf dem professionellen und sozialen Markt. Zeit haben die Punks in der Fußgängerzone, die Alten in den Pflegeheimen und da endet es schon. Jedes Kitakind, das etwas auf sich hält, hat keine Zeit. Aber natürlich stimmt das nicht. Wir haben den guten alten 24-Stunden-Tag – was wir nicht haben, ist unverplante Zeit, Zeit, die keinem Zweck zugeordnet ist. Zu spät, Kaninchen! | Friederike Gräff weiterlesen

„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“ – Zum drohenden Sinnverlust einer arbeitsfixierten Gesellschaft | Jacob Schmidt

Darstellung von Arbeit an einer FassadeFoto: Ilse Orsel | unsplash

 

„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“

Zum drohenden Sinnverlust einer arbeitsfixierten Gesellschaft

Text: Jacob Schmidt

Das Bier gibt es zum Feierabend, die ausgelassene Party am Ende der Woche, den entspannten Urlaub nach mühevollen Monaten des Schuftens. All die schönen Dinge werden in unserer Gesellschaft an eine Bedingung geknüpft: Arbeit. Doch was geschieht, wenn uns die Arbeit ausgeht? „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“ – Zum drohenden Sinnverlust einer arbeitsfixierten Gesellschaft | Jacob Schmidt weiterlesen