„Politisch sind viele, sich dessen bewusst nur wenige“

Interview mit den HipHop-Künstlern von Zweierpasch

„Politisch sind viele, sich dessen bewusst nur wenige“

Oft wird der Jugend vorgeworfen, dass sie desinteressiert an gesellschaftlichen Belangen sind. Bei euren Musikprojekten arbeitet ihr eng mit Jugendlichen aus Deutschland und Frankreich zusammen. Was ist euer Eindruck? Wie politisch ist die Generation Smartphone?

Foto: Urbanactpictures Till und Felix Neumann, HipHop-Künstler bei Zweierpasch, 35 Jahre. Till wohnt in Freiburg und ist zudem Journalist. Felix arbeitet neben Zweierpasch als Projektreferent in Kehl. Mehr zu Zweierpasch unter: zweierpasch.com

FELIX NEUMANN: Wir kriegen einen ganz guten Gesamteindruck in unserer Arbeit, treffen verschiedene Bildungsschichten und Alter, haben zwei Länder im Vergleich und machen zum Teil auch konkret politisch-partizipative Projekte, zum Beispiel rund um Wahlen. Die Sogwirkung digitaler Medien, die Geschwindigkeit unserer Zeit und das Orientieren an ambivalenten Idolen prägen die junge Generation. Politisch sind viele, sich dessen bewusst nur wenige. Dabei posten sie in Sozialen Medien, schreiben Raptexte und finden Sachen cool oder fake. Allein zu Geflüchteten, der AfD, ihren Bildungschancen, Macron oder Gelbwesten haben die meisten eine Meinung. Von Politik und Partizipation fühlen sie sich aber oft weit weg. Dazu braucht es Zugänge, Übersetzung und Komplexitätsreduktion. „Politisch sind viele, sich dessen bewusst nur wenige“ weiterlesen

Das Irrationale ermöglicht einen Perspektivenwechsel

„Das Irrationale ermöglicht einen Perspektivenwechsel“

Interview mit Aga Trnka-Kwiecinski

 

Frau Trnka-Kwiecinski, die Bildungslandschaft wird heutzutage immer mehr zu einem Ausbildungsbetrieb. Warum ist es nach wie vor wichtig, Bildung gegenüber der Ausbildung zu stärken?

AGA TRNKA-KWIECINSKI ist Lehrgangsleiterin für das Masterstudium Provokationspädagogik und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Donau-Universität Krems.
 

Das Paradox ist, dass Bildungseinrichtungen einem ökonomischen Denken unterworfen sind, das unsere gesamte Gesellschaft durchzogen hat. Nicht das Lernen als (überaus sinnliches – im Verständnis von „mit allen Sinnen“ zu erfahrendes) Erlebnis steht im Vordergrund, sondern das messbare Ergebnis, das zum Gradmesser des Erfolges wird. Absurderweise sowohl für die Lernenden als auch für die Lehrenden. Aber: Intelligenz ist auch so viel mehr, als das Ergebnis eines standardisierten Tests, auf den man sich letztlich immer besser vorbereiten kann, und wo lediglich ein Segment abgefragt wird, wonach Rückschlüsse auf die Intelligenz eines Menschen gezogen werden. Dabei ist es viel interessanter, sich anzusehen, was durch solche Tests NICHT abgedeckt wird. Das Irrationale ermöglicht einen Perspektivenwechsel weiterlesen

Die Arbeitsmärkte waren in Deutschland noch nie in einem so schlechten Zustand

Die Arbeitsmärkte waren in Deutschland noch nie in einem so schlechten Zustand

Der Ökonom Heinz-Josef Bontrup über geschönte Arbeitslosenzahlen, die Folgen der Digitalisierung und ein bedingungsloses Grundeinkommen

Herr Bontrup, „Es läuft – Deutschland nähert sich der Vollbeschäftigung“ textete die Frankfurter Allgemeine noch im Juni 2018. Und Sie werden seit Jahren nicht müde, von Massenarbeitslosigkeit zu sprechen. Können Sie diesen Widerspruch aufklären?

Prof. Dr. rer. pol. Heinz-J. Bontrup
Copyright © Ulrich Zillmann

Heinz-Josef Bontrup: Nur Demagogen und Populisten reden von einer fast erreichten Vollbeschäftigung. Mit der Realität, hat das leider nichts zu tun. Wir haben weiter Massenarbeitslosigkeit im Land und ich gehe noch weiter: Die Arbeitsmärkte waren in Deutschland, zählt man das gesamte Prekariat der Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten, die befristet Beschäftigten, die Praktikantenverträge und die Leiharbeiter dazu, noch nie in einem so schlechten Zustand. Die Arbeitsmärkte waren in Deutschland noch nie in einem so schlechten Zustand weiterlesen

Der Wert der Menschenwürde. Das unabhängige Lebensgeld – Interview mit Carsten Rachow

Der Wert der Menschenwürde – Das unabhängige Lebensgeld

Interview mit Carsten Rachow

 

Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise zur Eurokrise zur Demokratiekrise zur Klimakrise zur Selbstbild-Krise: der Grund allen Übels scheint der Mensch zu sein. Hoffnungslose meinen bereits, dass er es immer schlimmer machen wird – und wollen die gesellschaftliche Steuerung lieber der künstlichen Intelligenz überlassen. Herr Rachow, was stimmt mit unserem Welt- und Selbstbild nicht?
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Der Fortschritt ist kein Rennpferd, sondern eine Schnecke – Interview mit Juli Zeh

Der Fortschritt ist kein Rennpferd

im Gespräch mit Juli Zeh

Juli Zeh
Juli Zeh © Peter von Felbert

Wir sprachen mit der Schriftstellerin Juli Zeh über den Zustand der Welt, das Projekt der Aufklärung und darüber, wie das neue Selbstverständnis der Politik aussehen könnte. Juli Zeh wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet und ist auch durch ihr gesellschaftlich-politisches Engagement bekannt geworden. Im September ist ihr Buch Neujahr im Verlag Luchterhand erschienen.

Frau Zeh, mit der Aufklärung verloren Götter ihren Schrecken und man glaubte, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können. Doch wenn es um Themen wie Wachstum, Digitalisierung oder Globalisierung geht, scheinen wir uns neue Götter geschaffen zu haben, die unser Schicksal bestimmen. Bedarf es einer neuen Aufklärung? Der Fortschritt ist kein Rennpferd, sondern eine Schnecke – Interview mit Juli Zeh weiterlesen

Wer überwacht wird ist nicht frei – Interview mit Katharina Nocun

Wer überwacht wird ist nicht frei

Katharina Nocun
Katharina Nocun ist Bürgerrechtlerin, Publizistin und Ökonomin. Sie betreibt das Blog KATTASCHA, leitet Kampagnen zum Schutz der Bürgerrechte, ist Mitglied im Beirat des Whistleblower-Netzwerk e.V und Botschafterin der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Im April 2018 ist ihr Buch „Die Daten, die ich rief – Wie wir unsere Freiheit an Großkonzerne verkaufen“ erschienen. Foto cc-by Miriam Juschkat 

Frau Nocun, allerorten ist die Rede von der Krise. Warum lohnt es sich Ihrer Meinung dennoch jeden Morgen aufs Neue und voller Hoffnung aufzustehen?

Das ist eine gute Frage, die man sich als Datenschützer ehrlich gesagt sehr häufig stellt. „Damit es nicht noch schlimmer wird“ ist schließlich eine wenig befriedigende Antwort. Trotz der vielen Rückzugsgefechte gibt es immer wieder auch Lichtblicke. Dass es in Deutschland etwa, anders als in der USA, keinen flächendeckenden Einsatz von Wahlcomputern gibt, haben wir der digitalen Bürgerrechtsbewegung zu verdanken. Die erfolgreiche öffentlichkeitswirksame Installation von Schach-Software auf einem Wahlcomputer zwecks Demonstration der Manipulationsmöglichkeiten war hier sicher hilfreich. Solche Geschichten geben mir Hoffnung. Manchmal gewinnt eben auch in der Politik das bessere Argument obwohl die Gegenseite viel mehr Ressourcen zur Verfügung hat. Wer überwacht wird ist nicht frei – Interview mit Katharina Nocun weiterlesen

14 Thesen zur Digitalisierung – von Felix Sühlmann-Faul

14 Thesen zur Digitalisierung

Von Felix Sühlmann-Faul

Unter Digitalisierung wird – je nach Kontext – immer etwas anderes gemeint und verstanden. Unzählige Aspekte, Folgen, Veränderungen und Möglichkeiten des digitalen Wandels werden bedacht. Trotzdem bleiben blinde Flecken, die bislang in Diskussionen gemieden werden.

Diese blinden Flecken der Digitalisierung sichtbar zu machen und etwas Ordnung in das allgemeine Wirrwarr höchster Erwartungen und schlimmster Befürchtungen zu schaffen, war das Anliegen des Techniksoziologen Felix Sühlmann-Faul mit seinem Buch Der blinde Fleck der Digitalisierung, das im September erschienen ist. Da zudem das Thema Nachhaltigkeit viel zu häufig übersehen wird, widmet er sich, gemeinsam mit dem Koautor Stephan Rammler, der Frage: Wie lassen sich Nachhaltigkeit und digitale Transformation in Einklang bringen? 14 Thesen zur Digitalisierung – von Felix Sühlmann-Faul weiterlesen

42 oder die Antwort auf die Frage aller Fragen: agora42 feiert Jubiläum!

Die 42. Ausgabe der agora42 ist da!

Wir feiern Jubiläum

 

42 ist Douglas Adams zufolge die Antwort auf die Frage aller Fragen – die keine Antwort ist. Das ist die eindeutige Zahl, die alles im Unklaren belässt. Und sie ist gar nicht so unsinnig, wie sie zunächst scheinen mag. Diese Zahl steht für den typisch menschlichen Versuch, einen Sinn zu finden – und ist gleichzeitig Ausdruck der Tatsache, dass dieser nicht gefunden werden kann. Zum Glück! Sonst wäre ja alles sinnlos …
42 oder die Antwort auf die Frage aller Fragen: agora42 feiert Jubiläum! weiterlesen

„Sich einen Sinn für das Mögliche zu schaffen heißt, sich einen Sinn für die Freiheit zu schaffen“ – Interview mit Thomas Seibert

„Sich einen Sinn für das Mögliche zu schaffen heißt, sich einen Sinn für die Freiheit zu schaffen“

Interview mit Thomas Seibert

Herr Seibert, im Alltag hat die Befreiung bereits ihren Platz: das Wochenende befreit von den Werktagen, der Urlaub von der Arbeitswelt und die Fußball-WM vom politischen Tagesgeschehen. Befreiung ist für die meisten nur eine Befreiung von etwas – und verweilt damit in der Negation. Ist Ihrer Meinung nach darüber hinaus Freiheit möglich?

Thomas Seibert
Der Philosoph und Autor Thomas Seibert ist für medico international tätig sowie Vorstandssprecher des Instituts Solidarische Moderne und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Halten wir erst einmal fest, dass selbst negative Freiheit für Millionen noch immer unerreicht ist. Dabei meine ich nicht bloß Migrantinnen, die der europäische Grenzschutz in die Vergewaltigungslager oder auf die Sklavenmärkte Libyens zurückzwingt. Ich meine auch all‘ die, denen der Kreislauf von Werktag und Wochenende den Begriff der Alternative geraubt hat, ohne den Freiheit nicht gedacht werden kann. „Sich einen Sinn für das Mögliche zu schaffen heißt, sich einen Sinn für die Freiheit zu schaffen“ – Interview mit Thomas Seibert weiterlesen

„Wir sollten uns für einen gestalteten Wandel einsetzen“ – Interview mit Rainer Totzke

„Wir sollten uns für einen gestalteten Wandel einsetzen“

Interview mit Rainer Totzke

Herr Totzke, im Alltag hat die Befreiung bereits ihren Platz: das Wochenende befreit von den Werktagen, der Urlaub von der Arbeitswelt und die Fußball-WM vom politischen Tagesgeschehen. Befreiung ist für die meisten nur eine Befreiung von etwas – und verweilt damit in der Negation. Ist Ihrer Meinung nach darüber hinaus Freiheit möglich?

Rainer Totzke
Rainer Totzke lebt als Philosoph, Autor und Performer in Leipzig und lehrt als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Otto-von Guericke Universität Magdeburg.
 Ja, absolut! Ich denke, eine bloß negative Freiheit – als Freiheit von ungerechtfertigten gesellschaftlichen Zwängen – bleibt, so wichtig sie ist, am Ende eigentümlich leer. Ihr liegt die Vorstellung einer rigiden Trennung zweier Dinge zugrunde: der Gesellschaft hier und des Individuums da. Diese Vorstellung aber ist verkürzt, denn sie unterschlägt, dass Gesellschaft zwar auch repressive Dimensionen haben kann, dass sie zunächst aber erstmal im positiven Sinne Vergesellschaftung ist bzw. sein kann. „Wir sollten uns für einen gestalteten Wandel einsetzen“ – Interview mit Rainer Totzke weiterlesen